■ Mit Schwedens Eisenbahn auf du und du: Eingleisig frei
Stockholm (taz) – Ab 1. Januar nächsten Jahres soll auf den Schienen Schwedens die große Freiheit anbrechen. Wer Geld hat, kann sich einen Kindheitstraum erfüllen und Züge durchs Land brausen lassen. Richtige. Die geplante Bahnreform räumt jedem Unternehmer das Recht zum Zugverkehr ein – auf dem vorhandenen Schienennetz. Wie das funktionieren soll, weiß niemand, doch die konservative Regierung will in ihrem Privatisierungseifer vor der Bahn nicht haltmachen.
Aber das zum größten Teil eingleisige schwedische Schienennetz ist schon jetzt ausgelastet – das Nebeneinander verschiedener Anbieter auf der gleichen Schiene verspricht nach Meinung von ExpertInnen im Chaos zu enden. Wenigstens theoretisch würde eine Firma das Nutzungsrecht für einzelne Zugverbindungen vom Eigentümer des staatlichen Streckennetzes, dem „Banverket“, kaufen. Interessant wären nicht Nebenstrecken, auf denen leere Triebwagen schaukeln, sondern Hauptlinien. Und auch hier nicht der Stundentakt an sieben Wochentagen, sondern nur montags bis freitags in den Früh- und späten Nachmittagsstunden. Kein Wunder, daß die Staatsbahn nicht begeistert ist. Sie müßte zu Anfang nicht nur den Lok- und Wagenpark vermieten, sondern die Konkurrenz auch an der Infrastruktur von den Bahnhöfen bis zum Buchungssystem teilhaben lassen.
KritikerInnen sehen eine Welle von Streckenstillegungen kommen. Problematisch scheint jedenfalls die Eile, mit der das Projekt in die Tat umgesetzt werden soll. Die Staatsbahn müßte ein völlig neues Tarifsystem einführen. Jetzt fährt billig, wer zu verkehrsarmen Zeiten reist. Die freie Konkurrenz würde dagegen mit Billigpreisen zur Rush-hour locken: SJ- Chef Stig Larsson fürchtet, neue Kunden, die mit Billigtarifen gewonnen wurden, wieder zu verlieren. Für ihn steht fest: „Juristen und Rechtsanwälte werden die einzigen sein, die verdienen.“ Reinhard Wolff
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