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■ Mit Schröders Büro auf du und duGroße Kohlekoalition

Berlin (taz) – Niedersachsens Ministerpräsident hat sich ein rollendes Büro zugelegt. Die Termine sind sonst nicht zu halten: München, Bonn, Düsseldorf, mal mit Wirtschaftsfunktionären, mal mit Parteipolitikern, mal mit Ministern. Ziel der Aktion ist eine Große Koalition für sieben Milliarden Mark. Soviel darf es nach dem entsprechenden Artikelgesetz jährlich bis zur Jahrtausendwende kosten, die Arbeitsplätze der deutschen Kohlekumpel zu erhalten. Woher nehmen, wenn der Kohlepfennig nach dem Urteil der Verfassungsrichter nicht mehr erhoben wird?

Schröder weiß es: Eine Energiesteuer muß her. Am Rande sollte außerdem, heißt es im rollenden Büro, ein Konsens über AKWs und regenerierbare Alternativenergien erzielt werden. Das interessiert zwar augenblicklich niemanden, der Streit um die Energiesteuer für die Kohle jedoch gedeiht prächtig. Bitte notieren:

– Der Fraktionschef der Bündnisgrünen, Fischer, meint, für die Kohlefinanzierung seien gar keine Konsensgespräche nötig. Er warnt Schröder, ohne klare Vorstellungen zur Atomenergie zu verhandeln. (Schröder streicht den Termin.)

– Die Mittelstandsvereinigung der CDU bittet Kanzler Kohl, diese Diskussion sofort zu beenden.

– Die FDP schwankt. Im (kohlelosen) Land Rheinland-Pfalz ist der liberale Wirtschaftsminister Rainer Brüderle für eine Energiesteuer. Nur darf sie nichts kosten, weswegen Brüderle vorschlägt, die Einkommensteuer im selben Maße zu senken. Bundesfraktionschef Solms ist da doch lieber mit Nachdruck gegen jede neue oder höhere Steuer und außerdem für eine Weiterführung der Atomenergie. Minister Rexrodt möchte zudem die gesetzliche Subventionszusage für die Kumpel zurücknehmen. (Schröder streicht Rexrodt von der Liste.)

– Die Bundestagsfraktion der CDU ist ein bißchen dafür. Ihr Wirtschaftssprecher Haungs möchte die privaten Haushalte mit etwa 150 Mark im Jahr zusätzlich belasten, hält das aber für politisch nur schwer durchsetzbar, wenn die Industrie nicht ebenfalls zur Kasse gebeten werde. (Was Haungs nicht will). Dafür hat Fraktionschef Schäuble wiederum Verständnis. In einer Klausurtagung haben Vertreter der Wirtschaftsverbände vorgeschlagen, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Schäuble runzelt die Stirn. Er sieht für diesen Griff in die Haushaltskasse der Wähler größere Schwierigkeiten voraus. Gar keine Steuer scheint ihm aber ebenfalls problematisch, und Kanzleramtschef Bohl erinnert daran, daß an der Atomenergie festgehalten werden müsse. (Schröder notiert: Haungs anrufen!) Niklaus Hablützel

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