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■ „Mit Rechten reden“? – Es gibt wirklich WichtigeresDie Linke, das sind wir!

Wolfgang Kowalsky, der in den letzten Jahren dadurch auffiel, daß er von nahezu keinem medienwirksamen Thema lassen konnte, meldet sich – nachdem er, soweit uns bekannt, das Problem einer gewaltsamen Intervention in Bosnien ausgelassen hat – wieder zurück. Seine Eingangsfrage „Was tun gegen rechtsaußen?“ (taz vom 9.3., Seite 10) beantwortet Kowalsky in seinem Artikel nicht etwa im Stile Sepp Herbergers („Manndeckung durch einen beinharten Linksverteidiger, notfalls bis unter die Dusche“), sondern mit der Empfehlung an „die Linke“, „nach sorgfältiger Vorbereitung und unter Berücksichtigung des Spielfeldes“ mit „Rechtsextremisten“ zu reden. Wer will soviel Einfallsreichtum widersprechen? Da wiegt es auch nicht besonders schwer, daß unklar bleibt, wer mit wem wann reden soll und wo – außer in der Jungen Freiheit.

Lese- und Anwesenheitspflicht besteht ab sofort für diejenigen, die bisher wegen „Berührungsangst plus Denkverbot“ „die heikle und daher immer von Mißerfolg bedrohte Auseinandersetzung mit Rechtsaußen zu tabuisieren und zu verhindern“ gewußt haben. Also im schlimmsten Fall für „Die Linke“ minus Wolfgang Kowalsky, Wolfgang Templin, Daniel Cohn-Bendit, Claus Leggewie, Peter Glotz und Helmuth Karasek! Die Gesprächspartner auf der anderen Seite, nach Kowalsky in den Augen der „Linken“ der „böse und feindliche Gegenstand“, bestehen aus Rechtsextremisten (offenbar Haider und Schönhuber) und/oder Rechtsintellektuellen (Junge Freiheit u.a.).

Geradezu sensationell nimmt sich vor dem Hintergrund der diagnostizierten Verweigerungshaltung „Der Linken“ die Gesprächsbereitschaft derjenigen aus, die mit den Junge Freiheit-Redakteuren im Gespräch „zwar auch linke Strategien kritisiert“, aber die „Kritik an der Neuen Rechten verschärft“ haben. Die anderen, die Feinde der Debatte, haben, offenbar im Gegensatz zu Kowalsky, die NS-Vergangenheit „nur unzureichend verarbeitet“ und tragen eine „geheime, uneingestandene Angst vor der latenten und virulenten Attraktivität, warum nicht: „Faszination“ von Faschismus und Rechtsextremismus“ mit sich herum. Das Weltbild Kowalskys besteht also aus gesprächsbereiten, mutigen Linken, schlechten, weil verängstigten Linken sowie Rechten.

Rücksichtslos trampelt der Autor auf dem herum, was er als „Die Linke“ zu erkennen glaubt. Wer genervt ist von soviel Junge Freiheit-Lärm, den Leute wie Kowalsky zu gleichen Teilen verursachen, danach thematisieren, um ihm dann „kritisch“-analytisch zu lauschen, dem wird von Kowalsky umstandslos diese „Art des Freund-Feind-Denkens“ attestiert, die sich zusehends weniger von der des Gegners unterscheiden soll. Dieser Lärm stört allerdings schon deswegen, weil gleichzeitig soviel wichtigere Themen anstehen und kaum bearbeitet werden oder zu wenig Unterstützung finden (z.B. Hilfe für Opfer rechtsextremistischer Gewalttaten, Betreuung von Flüchtlingen etc.). Es empfiehlt sich hier innezuhalten und den Drachen, den Kowalsky immerzu niederstrecken will, auf seine Existenz hin zu überprüfen.

1. Die Meinung innerhalb Bündnis 90/Grüne zu Templins Interview ist kontrovers (vgl. taz v. 5.3., S.4). Unbestritten gibt es Berührungsängste gegenüber Figuren aus der rechten Szene, die bis zu einem Boykott von Gesprächen reichen. Diese werden aber zum Teil sehr genau begründet. Neben der Feststellung, daß auch Protest Kommunikation herstellt, muß daran erinnert werden, daß es sehr wohl legitim und notwendig ist, sich zu überlegen, mit welcher Priorität man sich um wen kümmert.

2. Die Vorbehalte gegen eine potentielle Vereinnahmung durch rechte Blättchen bzw. die schleichende Etablierung von rechten Auffassungen und Diskussionsstilen mit Hilfe solcher Organe sollten nicht unterschätzt werden. Gerade hier ist Realismus hinsichtlich der Überzeugungskraft eigener Argumente angezeigt. Die Reichweite guter Argumente (siehe Asyldebatte) ist begrenzt. Kowalsky hängt Heldenträumen nach, wenn er über Statements in der rechten Presse die entscheidenden „Lernprozesse“ bei deren Klientel auslösen will. Als müßte man nur durch „Infos“ den Mangel an Aufklärung beseitigen, und alles wäre in Butter!

Claus Leggewie hätte die berechtigten und eben nicht rhetorischen Fragen der Moerser Statt- Zeitung nach dem Sinn einer Diskussion mit Rechten (taz vom 15.3., S.12) im Vorfeld ernst nehmen und beantworten müssen. Dann wäre die Durchführung einer solchen Veranstaltung schon Ergebnis und nicht nur Ereignis gewesen.

3. Nicht das Aufgreifen von Themen, mit denen die Rechte aufwartet, sondern das beharrliche Dechiffrieren unmenschlicher Mechanismen ist die vordringliche Aufgabe: etwa Situationen, die sich für die Akteure so darstellen, daß Gewaltanwendung rational erscheint und sich anbietet, da gesellschaftliche Mißbilligung nicht zu erwarten ist. Abgesehen von den gewalttätigen Überzeugungstätern, für die das Strafrecht bereitsteht, wird z.B. durch mehr oder minder deutliche Aussagen medienwirksamer PolitikerInnen ein Klima erzeugt bzw. eine Stimmung verschärft, in der Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit unter einem „Ja-aber-Vorbehalt“ stehen. Dieses Phänomen ist kein rechtsextremistisches, sondern reicht über alle Parteien hinweg in die Gesellschaft hinein.

Genau dies fehlt bei Kowalsky. Er beantwortet die von ihm gestellte Frage nicht. Er will Redeerlaubnis in einem mediokren rechten Blättchen. Dazu bedarf es allerdings nicht des langweiligen und beliebigen Geredes über die Schwächen „Der Linken“. Vollends überflüssig ist es, Ängste von Menschen vor Faschismus und Rechtsextremismus derart zu diffamieren, wie Kowalsky dies aus taktischem Interesse tut. Dies um so mehr, wenn sich seine Kritik an Rechtsextremen im Vergleich zu seiner Erwartung über deren glorreiche Zukunft („Aber noch ist nicht die Stunde des großen intellektuellen Schlagabtauschs ...“) relativ ärmlich ausnimmt. Denn faktisch ist für viele Opfer die Stunde des handgreiflichen „Schlagabtausches“ schon längst gekommen.

Warum kommt es aber zu Debatten mit einer solchen Stoßrichtung? Warum streifen seit neuestem selbsternannte „Mythenjäger“ effektvoll durch die Gazetten und wollen in Verbindung mit der Aufdeckung von Selbstbetrug innerhalb der sog. Linken auch zugleich eine neue Strategie für „Die Linke“ angeben? Unsere These ist, daß es derzeit etwas aufwendiger wird, Standpunkte sorgsam zu überdenken, zu reformulieren und weiter zu verteidigen. Man muß schon wissen, was der linke Gegenstand unter den vielen überkommenen Chiffren ist, den man vertreten will. Kowalsky und anderen ist mit den Chiffren aber auch der Gegenstand abhanden gekommen. Antje Becker/

Michael Maier-Borst

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