■ Mit Polens Schulden auf du und du: Nachlaß der Banken
Frankfurt/Main (dpa/taz) – Dem Staat Polen sollen 42,5 Prozent seiner Bankschulden erlassen werden. Darauf einigten sich die rund 300 Gläubigerbanken in einem langfristigen Schuldentilgungsabkommen mit dem Land, das bei ihnen mit 13,1 Milliarden US-Dollar in der Kreide steht. Dies teilte die Dresdner Bank als Sprecherin des sogenannten Londoner Klubs, in dem die Gläubigerbanken vereinigt sind, gestern in Frankfurt mit. Die Umschuldungsvereinbarung hat eine Laufzeit von 30 Jahren. Bis dahin soll das Land seine Verbindlichkeiten in Jahresraten von maximal 400 Millionen Dollar zurückzahlen.
Nach Angaben von Ernst- Moritz Lipp, dem Generalbevollmächtigten der Dresdner Bank und Vorsitzenden der Polen-Arbeitsgruppe im Londoner Club, umfassen die polnischen Schulden 9,3 Milliarden Dollar Forderungen und 3,8 Milliarden Dollar ausstehende Zinsen. Polen habe zwischen 1989 und Mai 1992 „nichts mehr bezahlt“, danach nur „sehr kleine Beträge“. Deutsche Banken sind an den Verbindlichkeiten mit 24 Prozent beteiligt.
Neben dem Londoner Club der Geschäftsbanken gibt es noch den „Pariser Club“, in dem die reichen Gläubigerstaaten über säumige Schuldnerländer beraten. Beim Pariser Club steht Polen mit zusätzlichen 32 Milliarden Dollar in der Kreide. Auf diese Schulden hat das Land bisher einen Nachlaß von 30 Prozent bekommen.
Die in der Nacht zu gestern nach vierjährigen „schwierigen“ Verhandlungen erzielte Vereinbarung mit dem Londoner Club enthält zwei Komponenten: Danach verzichten die Banken auf 45 Prozent der polnischen Verbindlichkeiten und auf rund ein Drittel der rückständigen Zinsen. Daraus ergibt sich unterm Strich die Quote von 42,5 Prozent. Nach Lipps Worten war der Druck, zu einer Einigung zu kommen, groß gewesen, da angesichts steigender Zinsen „der Deal“ für Warschau mit „jedem Tag teurer geworden wäre“. Er hoffe, daß nun der Weg frei für Direktinvestitionen in Polen sei.
Die Vereinbarung wurde von den zehn Banken der Arbeitsgruppe mit der polnischen Regierung ausgehandelt. Sie muß noch von den anderen Mitgliedern des Londoner Clubs gebilligt werden. An deren Zustimmung ist nach Einschätzung Lipps nicht zu zweifeln.
Lipp glaubt nicht, daß die Vereinbarung für die Schuldenverhandlungen mit Rußland Vorbild sein könne. Er erwarte, daß Moskau „in den nächsten fünf Jahren keinen Schuldenerlaß“, sondern jeweils nur eine Verlängerung des Stillhalteabkommens bekomme. Mit Bulgarien war der Londoner Club kürzlich über eine langfristige Umschuldungsaktion einig geworden.
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