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■ Mit PVC auf du und duSowieso chancenlos

Berlin (taz) – Dunlop, als größter hessischer PVC-Verarbeiter, hat nun durchgesetzt, daß das Verbot der PVC-Nutzung am öffentlichen Bau in Hessen aufgehoben wird. Der weltweit zweitgrößte Hersteller von PVC-Bodenbelägen, Tarkett, will genau das Gegenteil tun, nämlich aussteigen: Ab September bietet die schwedisch-deutsche Firma Bodenbeläge aus nicht-chlorhaltigem Kunststoff an. Damit, so der Firmenchef Lars Wisén, gebe die Firma dem Druck der Umweltbewegung nach. Aber es sei auch das Verdienst der UmweltschützerInnen, einen neuen Markt geschaffen zu haben: den für PVC-freie Produkte.

Während mit Unterstützung der IG Chemie in Hessen Tausende von ArbeiterInnen aus der Kunststoffindustrie für PVC auf die Straße gehen, erklärt die Gewerkschaft Holz und Kunststoff, daß PVC auf dem Markt ohnehin keine Zukunft habe; kräftige Umsatzrückgänge seien als Warnsignal nicht zu übersehen. „Eine undifferenzierte Schönfärberei und vorbehaltlose Verteidigung des Werkstoffes PVC wird gerade mit Blick auf eine dauerhafte Arbeitsplatzsicherung abgelehnt.“

In immer mehr Kommunen ist PVC im öffentlichen Bau tabu. Zwar ist PVC sehr stabil, wetter- und schlagfest, leicht zu verarbeiten und dabei noch billiger als Ersatzstoffe wie Aluminium oder Linoleum. Doch spricht allzuviel gegen diesen Kunststoff: Gerade in Gebäuden stellt die Eigenschaft des PVC, bei Bränden Dioxin freizusetzen, eine große Gefahr dar. Die große Stabilität wird durch Stabilisatoren aus giftigen Schwermetallen erkauft. Auch die PVC-Herstellung ist nicht harmlos, das Vorprodukt Vinylchlorid ist krebserregend. Die Beseitigung des PVC wirft besonders große Probleme auf. Es baut sich nicht von selber ab; die Verbrennung bei niedrigen Temperaturen setzt Dioxin frei; bei hohen Temperaturen mit nachgeschalteter Rauchgasreinigung entstehen größere Mengen von schwer zu entsorgenden Chloridsalzen oder Salzsäure. Recycling aber ist auch keine umweltfreundliche Lösung. Die schwermetallhaltigen Zusatzstoffe verteilen sich so auf immer mehr Material; die Recyclinganlagen müssen wegen der Dioxin-Gefahr besonderen Sicherheitsstandards genügen. Recycling-PVC ist bis zu viermal so teuer wie frisches Material. Kein Wunder, daß die Recyclingquote derzeit unter einem Prozent liegt. Nicola Liebert

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