■ Mit PVC auf du und du: Problem-Tausendsassa
Berlin (taz) — Bei der Industrie ist Polyvinylchlorid, bekannt als PVC, sehr beliebt. Es ist witterungsbeständig, schlagfest, leicht formbar und billig. Außerdem ist der Stoff vielseitig einsetzbar: für Verpackungen, Fensterrahmen, Rohre, Bodenbeläge oder Infusionsschläuche. Der Verband der Deutschen Industrie bezeichnet PVC deshalb poetisch als „Tausendsassa“. Die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten wird ermöglicht durch Zusatzstoffe wie Weichmacher oder Stabilisatoren, die ihrerseits oft problematisch für die Umwelt sind.
Zwölf Millionen Tonnen PVC befinden sich derzeit im Umlauf. Über kurz oder lang wird diese Menge als Abfall anfallen. Entsorger sehen um die Jahrtausendwende jährlich eine halbe bis eine Million Tonnen PVC-Abfälle auf sich zukommen. Ian Meerkamp van Embden vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) räumt deshalb ein: „Die Zukunft des PVC hängt ganz sicher vom Recycling ab.“ Zur Zeit liegt die Wiederverwertungsquote bei weniger als einem Prozent.
PVC-Recycling ist teuer: Pro Kilo müssen bis zu vier Mark gezahlt werden, wenn die Erfassungs- und Transportkosten mit eingerechnet werden. Neu-PVC kostet nur eine Mark. Realistisch ist das PVC-Recycling also allenfalls in Bereichen, wo PVC sortenrein in großen Mengen anfällt, etwa im Baubereich.
Die Umweltverbände haben ganz andere Probleme mit dem PVC-Recycling. Sie befinden sich in einem Zielkonflikt zwischen der Forderung nach einem Ausstieg aus der Produktion und dem Eintritt in eine Kreislaufwirtschaft. Einerseits wollen sie zwar die Hersteller nicht aus ihrer Pflicht entlassen, sich um die Altmaterialien zu kümmern, andererseits wäre das Recycling für die Industrie eine Möglichkeit, PVC auf dem Markt zu halten. Bei der Wiederverwendung von Alt-PVC und einer Vermischung mit neuem Material werden zudem die Stabilisatoren, zumeist giftige Schwermetalle, auf immer mehr Material verteilt.
Immer mehr Umweltschützer ringen sich zu einer Position durch, daß in gewissen Fällen die Wiederverwertung erlaubt werden sollte, etwa für unterirdisch verlegte Rohre. Denn die Alternative, das gebrauchte PVC zu verbrennen oder zu deponieren, ist auch problematisch: Auf der Deponie baut sich PVC nicht ab; bei der Verbrennung entsteht leicht Dioxin. Außerdem trägt die Verbrennung zur Versalzung der Flüsse bei, weil dabei Salzsäure beziehungsweise Salz entsteht.
Für Andreas Ahrens, Chlorchemie-Experte des Hamburger Instituts für Ökologie und Politik, sind die Probleme mit dem PVC-Abfall ein guter Grund, den Ausstieg aus der PVC-Produktion zu fordern, denn „ein Problem, für das ich keine Lösung habe, darf ich nicht noch weiter vergrößern“. Nicola Liebert
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