■ Mit Gift aus Textilien auf du und du: Nur ein bißchen Farbe?
Berlin (taz) – Wer glaubt, daß Jeans nur aus Baumwolle mit ein bißchen blauer Farbe bestünden oder daß für die Herstellung von Wollpullis nur Wolle verwendet würde, täuscht sich schwer. 110.000 Tonnen an 6.900 verschiedenen Textilhilfs- und -ausrüstungsmitteln werden jährlich in der Bundesrepublik eingesetzt, etwa Harnstoff- und organische Metallverbindungen. Damit sollen Garne beim Weben leichter laufen, Stoffe knitterfrei gemacht werden oder Teppiche gegen Motten und Pilze imprägniert werden.
80.000 Tonnen dieser Chemikalien landen jährlich in den Gewässern; viele davon können in den Kläranlagen nicht abgebaut werden. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Fraunhofer Instituts für Toxikologie und Aerosolforschung in Hannover, die das niedersächsische Umweltministerium in Auftrag gegeben hatte. Ein Großteil der Hilfsmittel seien sogenannte Altstoffe, die bei der Zulassung nicht näher untersucht wurden. Über ihre Wirkung auf die Umwelt sei wenig bekannt.
Der niedersächsischen Umweltministerin Monika Griefahn zufolge wollen Niedersachsen, Bayern und Hamburg während der Umweltministerkonferenz in dieser Woche die Bundesregierung auffordern, diese Chemikalien genauer zu untersuchen und gegebenenfalls Alternativen zu suchen. In einigen Nachbarländern existierten inzwischen Beurteilungsraster für Textilhilfsmittel; für einige problematische Mittel habe man bereits Ersatz gefunden. Einige besonders gefährliche Mittel, etwa Pentachlorphenol (PCP), dürfen zwar nicht mehr für die Behandlung von Kleidern verwendet werden. Doch würden die Verbote bei der Einfuhr von Textilien oft umgangen.
Auch wenn ein großer Teil der in der Textilindustrie eingesetzten Chemikalien in den Gewässern landet – ein Teil bleibt doch in den fertigen Kleidungsstücken und wirkt direkt auf die Haut der TrägerInnen der Kleider ein. Optische Aufheller in hellen Stoffen können Allergien hervorrufen, Kunstharze, die Baumwolle, Leinen oder Viskose knitterarm machen sollen, enthalten oftmals Formaldehyd, das nicht nur allergieauslösend, sondern im Tierversuch auch krebserregend ist. Ein Zulassungsverfahren wie für Arzneimittel gibt es für diese Stoffe nicht. Auch die verschiedenen Ökosiegel helfen wenig bei der Beurteilung, denn einheitliche Kriterien fehlen. lieb
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