■ Mit Gauweilers Rücktritt ist es nicht getan: Befreiungsschlag
Am gestrigen Aschermittwoch ist für den bayerischen Umweltminister Gauweiler vorerst die letzte Klappe gefallen. Sein längst überfälliger Rücktritt ist ein Geschenk für die CSU.
Die Umfrageergebnisse für die Partei sprechen eine klare Sprache. Nach jüngsten Erhebungen wollen rund 43 Prozent der bajuwarischen Wähler bei der kommenden Landtagswahl der CSU ihre Stimme geben. Ein Ergebnis, das bei der CDU als Traumergebnis gewertet würde, wäre für die Schwesterpartei in Bayern eine Katastrophe. Für die CSU war Gauweiler vor diesem Hintergrund seit längerem nicht mehr tragbar, er wurde auch in Bayern, wo man angeblich die kräftige und deftige Sprache so sehr liebt, zur Affären-Symbolfigur. Seine Aids-Politik hatte viel mit Ausgrenzung und Panikmache zu tun, aber nichts mit Menschlichkeit. In einer Zeit, in der bei Veranstaltungen der Deutschen Aids-Hilfe anerkannte Politiker wie Rita Süssmuth oder Kurt Biedenkopf eindrucksvolle und auch tröstende Worte finden, gefällt sich Gauweiler bis heute in der Rolle des Hardliners. So war sein vor kurzem ausgerechnet im Spiegel erhobener Vorwurf, die früheren Gesundheitsminister Süssmuth und Geißler wären verantwortlich „für das Siechtum Tausender Aidskranker“, der traurige Höhepunkt im Wirken dieses politischen Ozonloches. Die neverending-story um den monatlichen Nebenverdienst von 10.000 Mark durch die Verpachtung seines Mandatenstammes hat ihn nun den Kopf gekostet, und es ist mit Blick auf die Persönlichkeitsstruktur Gauweilers anzunehmen, daß er weniger freiwillig zurückgetreten ist, sondern durch CSU-Chef Waigel und Ministerpräsident Stoiber gegangen worden ist.
Das politische Ende des Peter Gauweiler ist ein Geschenk für jeden, der an die Notwendigkeit einer politischen Kultur glaubt, doch weitere Schritte müssen folgen. Worte wie „Durchrassung“ oder „Überfremdung“ kommen aus dem Mund bayerischer Spitzenpolitiker. In einer Zeit, in der die Menschen nicht nur auf den Dezibelgehalt einer Rede, sondern mehr auf die Botschaft hören, muß die inhaltliche Leere eines solchen Vokabulars abschrecken. Und schier unglaublich ist die Tatsache, daß sich der ehemalige Ministerpräsident Bayerns, Streibl, mit dem Anführer der braunen Rep-Sippe, Schönhuber, zu einem „privaten Meinungsaustausch“ getroffen hat. Die CSU muß zur Kenntnis nehmen, daß nicht nur Affärchen und Affären die absolute Mehrheit kosten können, sondern auch Unsicherheiten beim Wähler durch unklare Verhältnisse innerhalb einer Partei. Holger Doetsch
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