piwik no script img

■ Mit Euro-Betriebsräten auf du und duKeine Mitbestimmung

Brüssel (taz) – Bei VW funktioniert die Sache schon seit Jahren. Einmal im Jahr treffen sich die Betriebsräte der belgischen, spanischen, tschechischen und deutschen VW-Unternehmen zum Informationsaustausch mit dem Wolfsburger Konzernvorstand. Sie wollen auf diese Weise verhindern, daß die Arbeiter in den Zweigwerken gegeneinander ausgespielt werden. In rund 30 europäischen Konzernen haben die Gewerkschaften solche internationalen Betriebsräte durchgesetzt.

Künftig werden sie nicht mehr auf die Einsicht der Konzernleitung angewiesen sein. In elf Ländern der Europäischen Gemeinschaft wird der sogenannte Euro-Betriebsrat für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten zur Pflicht. Auf eine entsprechende Richtlinie einigten sich nun die EU-Sozial- und Arbeitsminister. Für Großbritannien gilt diese Regel nicht, weil Euro-Betriebsräte etwas Soziales sind und die Londoner Regierung im Maastrichter Vertrag festschreiben ließ, daß sie bei sozialen Sachen nicht mitmachen muß. Die Major-Regierung betrachtet Arbeitnehmerrechte grundsätzlich als Wettbewerbshindernis für die britische Wirtschaft.

Im Gegensatz zum deutschen Betriebsrat hat der Euro-Betriebsrat keinerlei Mitbestimmungsrechte. Die Richtlinie schreibt den Unternehmern lediglich vor, daß sie den Euro- Betriebsrat regelmäßig über Neuplanung, Verlegung oder Stillegung von Betriebsteilen und anderen wichtigen Änderungen informieren müssen. Mehr hatten auch die Gewerkschaften kaum erwartet, weil für die meisten Regierungen eine rechtlich festgeschriebene Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretung wie in Deutschland undenkbar ist. Die bestehenden Rechte der Betriebsräte werden durch die neue Richtlinie nicht angetastet.

Beim Europäischen Gewerkschaftsbund in Brüssel verweist man auf die bisherige Erfahrung, daß allein schon der Informationsaustausch einen gewissen Schutz der Arbeitnehmerrechte sichere. Als Beispiel wird immer wieder gern der Versuch des Rasier-Konzerns Gillette angeführt, der in seinen Betrieben in Frankreich, Deutschland und Spanien Wochenendarbeit mit dem Argument durchsetzen wollte, in den jeweils anderen Gillette-Werken werde bereits samstags gearbeitet. Nachdem sich die Betriebsräte grenzüberschreitend zusammengesetzt hatten, war das Thema schnell vom Tisch.

Auf besonderen Wunsch der Bundesregierung wurde in die europäische Richtlinie eine sogenannte Option auf Tendenzschutz aufgenommen. Dieses Relikt aus der Weimarer Republik ist Teil des deutschen Rechts und existiert sonst nirgends auf der Welt. Dabei geht es im Kern um den Schutz von Zeitungsverlegern, die Angst haben, der Betriebsrat könnte seinen Einfluß beim Heuern und Feuern von Mitarbeitern dazu nutzen, beispielsweise die konservative Grundeinstellung des Eigentümers durch Bevorzugung linker Journalisten zu unterlaufen. Alois Berger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen