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■ Mit EU-Protektionismus auf du und duFreihandel droht

Brüssel (taz) – Europa ist umzingelt von freihandelswütigen Nachbarn. Die schwache europäische Führung aber sieht nicht die Gefahr und läßt sich aus politischer Naivität und ökonomischem Übermut auf das lockende Werben ein. Nur eine Handvoll besonnener Männer und Frauen ahnt das dräuende Verhängnis und trifft sich ab heute zum verschworenen Ratschlag im italienischen Otranto.

Es sind die fünfzehn AgrarministerInnen der Europäischen Union, die sich in informeller Runde mit den zahlreich geplanten Freihandelszonen und den Folgen für die EU-Agrarpolitik beschäftigen wollen. Auf dem Tisch liegt ein Papier der italienischen Ratspräsidentschaft. Es schließt mit der Warnung: Der Versuch, den EU- Außenhandel zu liberalisieren, sei zwar „verheißungsvoll, aber allzu gefährlich“.

Doch ist die Entwicklung überhaupt noch aufzuhalten? Mit der Türkei besteht schon eine Zollunion. Marokko und Tunesien ist das gleiche versprochen worden. Mit Südafrika, Mexiko, den baltischen Staaten und dem Golfkooperationsrat laufen Verhandlungen. Weitere Freihandelszonen mit den Mercosur-Ländern (Argentinien, Uruguay, Paraguay und Brasilien) sowie rund ums Mittelmeer sind bereits geplant. Fehlen noch Rußland und die Ukraine, aber auch darüber wird schon diskutiert.

Leidtragende werden immer die europäischen BäuerInnen sein, analysiert das italienische Papier. Fast alle potentiellen Freihandelspartner hätten ihre Stärken auf agrarischem Gebiet. Profitieren werde dagegen die europäische Industrie, die sich neue Märkte mit noch schwacher Konkurrenz sichern wolle – „ohne Rücksicht“ auf die Probleme der europäischen Landwirtschaft zu nehmen. Die EU-Politik brauche deshalb eine „Phase politischer Überlegungen“.

Natürlich wollen auch die Agrarminister Nelson Mandela helfen. Und auch sie wollen Lateinamerika nicht einfach den USA überlassen. „Aber sind Freihandelszonen wirklich die beste Lösung für alle Probleme?“ fragt das italienische Strategiepapier. Man müsse ja auch an die betroffenen Drittländer denken, denen die Offensive der Euro-Industrie sonst Probleme bereiten werde. Mitleidvoll plädieren die ItalienerInnen für einen Ausbau der Zusammenarbeit – ohne Freihandel.

Offizielle Beschlüsse werden in Otranto keine fallen. Das Blockadepotential der AgrarministerInnen wird sich jedoch bald bemerkbar machen. Schon bei den Verhandlungen mit Südafrika dauerte es Monate, bis die EU auch nur ein konkretes Angebot vorlegen konnte. Christian Rath

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