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■ Mit EG-Strategien auf du und duDoppelmoral

Berlin/Brüssel (taz/dpa) – Irgendwann einmal sollen sie EG- Mitglieder werden dürfen: Ungarn, Polen, die Tschechische und die Slowakische Republik, Bulgarien und Rumänien. Denn moralisch betrachtet, gelten die Nachbarn im Osten schon längst als gute Europäer, seit sie sich vom Kommunismus befreit haben. Politisch, das fordert selbst EG-Kommissionspräsident Jacques Delors, soll ihre Integration schnell erfolgen. Doch auf wirtschaftlichem Gebiet hätte er es, wie er auf der Hannover Messe Industrie im April sagte, lieber etwas langsamer. Schließlich haben wir Westeuropäer Marktanteile zu verlieren. Die Delorssche Doppelmoral hat die EG-Kommission am Montag in die Form eines Strategiepapiers gegossen. Darin verspricht sie, den ehemaligen Staatshandelsländern die Tür zur EG weiter als bisher zu öffnen. Vor allem Handelsbarrieren sollen abgebaut, Einfuhrkontingente rasch vergrößert und ein enger politischer Dialog vereinbart werden.

Mit dem Papier sollen, so wünschen die EG-Kommissare Hans van den Broek (Außenpolitik) und Leon Brittan (Außenhandel), die Staats- und Regierungschefs der EG bei ihrem Gipfel im Juni in Kopenhagen „ein notwendiges Signal zur Stärkung der Reformen“ geben. Denn: „In den jungen Demokratien Mittel- und Osteuropas ist die erste Euphorie der harten Aufgabe gewichen, die politischen und wirtschaftlichen Reformen umzusetzen.“ Es sei daher lebenswichtig für die EG, ein klares und eindeutiges Zeichen ihrer Absichten zu geben, enger mit den Ländern im Osten der EG zusammenzuarbeiten. Die Kommission will daher, so der Kernpunkt, die Einfuhrzölle schon in zwei statt in vier Jahren von vier auf zwei Prozent halbieren. Außerdem dürfen die vereinbarten Einfuhrmengen um 30 Prozent jährlich (bisher: 20 Prozent) wachsen dürfen.

Das klingt gut, und möglicherweise wird der Anteil der Osteuropäer am EG-Markt dann ein wenig über die läppischen drei Prozent von heute hinausgehen können. Aber, und dafür haben die Kommissare in weiser Voraussicht gesorgt, mit Sicherheit nicht allzusehr. Denn ausgenommen von der Zollsenkung sind all jene Produkte, bei denen die Osteuropäer gute Ware zu besonders günstigen Preisen anbieten können: Stahl, Textilien und landwirtschaftliche Erzeugnisse.

Die angeblich so großzügige „Strategie“ schrumpft also auf Bonbongröße. Und irgendeine Süßigkeit mußte die EG den Möchtegern-Mitgliedern ja anbieten angesichts der Tatsache, daß „trotz der großzügigen Handelsregelungen“ (Brittan) die Exporte der EG nach Osteuropa ständig wachsen, während umgekehrt die Importe aus Osteuropa stagnieren. Viele EG-Produkte haben so in Osteuropa Marktanteile von 50 Prozent ereicht. Zusätzlich hatte die EG die Osteuropäer mit ihrem Einfuhrstopp für Fleisch brüskiert, als sie die Maul- und Klauenseuche in Kroation zum Vorwand nahm, die Grenzen für sämtliche Fleisch-, Vieh- und Milchimporte aus Osteuropa dichtzumachen. Das Verbot wurde erst am Wochenende aufgehoben, nachdem auch Ungarn als letztes Land Kontrollen durch die EG zugestimmt hatte. Donata Riedel

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