■ Mit Autos und Grundrechten auf du und du: Klage für Tempolimit
Berlin (taz) – Das Bundesverfassungsgericht muß über die Einführung einer Höchstgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen entscheiden. Gestern legte Rüdiger Wohlers Verfassungsbeschwerde ein. Wohlers ist der Vorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) mit Sitz in Bonn. Nach Ansicht des VCD gebietet das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus dem Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht nur die Einführung eines Tempolimits, sondern auch niedrigere Geschwindigkeiten auf Landstraßen und in Ortschaften.
Rechtsanwalt Hartmut Geil sagte, der Gesetzgeber habe bisher die Entfaltungsfreiheit der Autofahrer gegen dieses Grundrecht falsch abgewogen und dem Autoverkehr eine Sonderstellung eingeräumt. „Der Verkehrsminister muß handeln, wenn so ohne wesentlichen Aufwand der Tod von Hunderten von Menschen und schwere Verletzungen von Tausenden verhindert werden kann“, sagte Geil. Nach einem Großversuch der Bundesanstalt für das Straßenwesen sinkt die Unfallrate bei einem Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen um 18,4 Prozent – wenn sich die AutofahrerInnen an die Höchstgeschwindigkeit halten würden, sogar um 24,8 Prozent. Bei 10.000 Unfalltoten und 500.000 Verletzten jährlich auf Deutschlands Straßen ein Riesenfortschritt.
Es geht jedoch nicht nur um die Unfallzahlen, sondern auch um die Abgase. Die müsse sein Mandant schließlich täglich einatmen, so der Rechtsanwalt. Mit strikteren Tempolimits wäre das besser: Als letztes Jahr in Hessen bei hohen Ozonwerten Tempo 90 auf Autobahnen und 80 auf Landstraßen vorgeschrieben war, stießen PKWs rund 25 Prozent weniger Stickoxide, 12 Prozent weniger Kohlenwasserstoffe und gar 38 Prozent weniger Kohlenmonoxid aus.
Der VCD fordet eine Tempo-Regelung von 100/80/30. „Verfassungsrechtlich kann es jedoch nicht um die Beurteilung gehen, ob 100 km/h Höchstgeschwindigkeit angemessen sind. Es geht um die Autorität der Verfassung im Straßenverkehr“, sagte Rüdiger Wohlers. Die Verfassungsbeschwerde wird jetzt eingelegt, weil sich das Verkehrsministerium im Winter bei Gesprächen mit dem VCD weigerte, von sich aus irgendein Tempolimit auf Autobahnen einzuführen. rem
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