Missionierung abgelehnt: Kein Audimax für Islamisten
Die Uni Kiel verhindert einen Auftritt des radikal-islamistischen Predigers Pierre Vogel. Er hatte auf Einladung einer muslimischen Hochschulgruppe einen Vortrag im Audimax halten wollen.
HAMBURG taz | Der islamistische Prediger Pierre Vogel darf nicht im Audimax der Kieler Christian-Albrechts-Universität sprechen. Das hat das Präsidium der Hochschule am Donnerstag beschlossen. Man habe "die Hintergründe der Veranstaltung geprüft und die Nutzungserlaubnis zurückgezogen", teilt die Universität mit. Mehr könne man beim besten Willen nicht sagen.
"Der Islam, die am schnellsten wachsende Religion - was steckt dahinter?" lautete der Titel des Vortrags, zu dem die Kieler Hochschulgruppe Maghreb für den 5. Februar eingeladen hatte. Asta und Studierendenparlament der Uni hatten schon vor Tagen das Präsidium informiert. "Die Überzeugung des Pierre Vogel ist unvereinbar mit den Grundprinzipien unserer Universität", schreiben sie in einem Brief an das Präsidium. Vogel habe sich mehrfach "negativ über die freiheitlich-demokratischen Grundrechte" geäußert.
Wie die Hochschulgruppe Maghreb auf die Idee gekommen sei, "eine selbst unter muslimischen Mitbürgern umstrittene Persönlichkeit" einzuladen, sei ihr schleierhaft, sagt Yvonne Dabrowski vom Asta der Uni Kiel. Bei seinem Versuch, den Vorstand der Gruppe Maghreb zu sprechen, habe der Asta die Auskunft bekommen, dieser sei zur Zeit nicht erreichbar, da er sich in Marokko aufhalte und ein Praktikum mache.
Pierre Vogel ist ein islamischer Prediger und wird auch Abu Hamza genannt.
Geboren ist der 32-Jährige in Frechen.
Er konvertierte 2001 zum sunnitischen Islam.
In Köln studierte er ein Semester Sozialwissenschaften und Geographie auf Hauptschullehramt, dann versuchte er sich in Bonn als Übersetzer für Arabisch.
Dann studierte er mit einem Stipendium in Saudi-Arabien an der Universität von Mekka.
Heute reist Vogel als Wanderprediger durchs Land, und ist gelegentlich Gast in TV-Talkshows.
"So eine Vergabe der Räumlichkeit der Universität ist erstmal nichts Ungewöhnliches", sagt Asta-Mitglied Dabrowski. Jede Hochschulgruppe könne nach vorheriger Anmeldung bei der Verwaltung Räume der Universität nutzen. Unverständlich sei aber, dass im Vorfeld nicht geprüft werde, wer da im Hörsaal Seminare halte. "Allem Anschein nach wusste in der untersten Verwaltungsebene wohl niemand etwas mit dem Namen Pierre Vogel anzufangen, und die Veranstaltung wurde unkontrolliert durchgewunken."
Das Präsidium der Uni Kiel brauchte mehrere Tage, bis es sich am Montag zu einer ersten Stellungnahme durchrang: Man distanziere sich von den Positionen des Pierre Vogel, ließ das Präsidium wissen, und dass man die "Hintergründe der Veranstaltung" prüfen werde.
Der Asta vermutet, dass der Auftritt des Islamisten dem Präsidium nicht passt, weil Kiel sich derzeit um den Status einer Eliteuniversität bewirbt. Da könnte es schlecht ankommen, einer umstrittenen Figur wie Pierre Vogel Räume zur Verfügung zu stellen.
Einfach verbieten könne die Uni den Vortrag allerdings nicht, denn sie trete nicht selbst als Veranstalter auf. Eine mögliche Handhabe sei, dass die Hochschulgruppe "Maghreb" es versäumt habe, sich wie vorgeschrieben zu Semesterbeginn registrieren zu lassen. Sie sei darum als Hochschulgruppe gar nicht zugelassen und habe auch kein Recht mehr, Räume der Universität zu nutzen.
Bekannt wurde der geplante Auftritt von Pierre Vogel nur, weil Tobias Langguth, bis vor kurzem Vize-Präsident des Studierendenparlaments, von einer Studentin der Islamwissenschaften darauf aufmerksam gemacht wurde. Langguth recherchierte und war entsetzt: "Pierre Vogel sagt offen, dass er für die Scharia eintritt", sagt Langguht. Vogels Verhältnis zur Gewalt sei nicht geklärt, sein Frauenbild indiskutabel.
Tatsächlich müssen Frauen und Männer bei Vogels Missionsveranstaltungen getrennt sitzen, und seine Sympathie für die Scharia ist in einigen Videos dokumentiert, die er und seine Anhänger ins Netz stellten. Wenn es der Befehl Allahs sei, Ehebrecher zu steinigen, müsse dieser Befehl ausgeführt werden, sagt Vogel da, vergisst aber nicht, darauf hinzuweisen, dass die Vorschriften im Alten Testament noch weitaus strenger seien.
Bis vor kurzem fungierte Vogel offiziell als Prediger des Vereins "Einladung zum Paradies", inzwischen scheinen sich die Wege allerdings getrennt zu haben: "Wir haften nicht für die Sachen, die Pierre Vogel veranstaltet", sagt Sven Lau, der Sprecher des Vereins, gegenüber der taz. Einen Kontakt könne er nicht vermitteln, Vogel halte sich im Ausland auf.
Verfassungsschützer halten Vogel wegen seiner fundamentalistischen Koran-Interpretation durchaus für einen potenziellen Wegbereiter gewaltbereiter "heiliger Krieger". Obwohl er Terror im Namen des Islam ablehnt, war im Bundesinnenministerium ein Verbot seines Vereins im Gespräch. Die Islamismus-Expertin Claudia Dantschke sagte jedoch kritisch, seine Äußerungen seien möglicherweise verfassungsfeindlich, aber es gebe deutlich radikalere Vereine, die auch Gewalt legitimierten und die man viel eher verbieten müsse.
Das diese Einschätzung realistisch ist, zeigt die Ablehnung, auf die Vogel bei besonders radikalen Salafisten trifft: Diese bezeichnen ihn als "Feind der Mudschaheddin", als "Schleimer" oder als "Ungläubigen".
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