Minimalistischer Dub: „scape night – pole, bus feat. soom-t, d meteo“ in der Tanzhalle : Spaß an der Musik? Um Gottes willen!
Stefan Betkes (Foto) Projekt Pole sorgte Ende der Neunziger für Furore, als er die Geräusche eines defekten und deshalb knacksenden Klangfilters mit minimalistischem Dub der Berliner Schule verband. Für sein Label ~scape verpflichtete er Künstler, die elektronischen Dub-Minimalismus um Jazz, HipHop und zuletzt Funk erweiterten. Weil Pole insbesondere in England verkauft wurde, erscheint die aktuelle Pole-Platte auf dem Londoner Label Mute. Daniel Meteo spielte zunächst Gitarre in der Dub-Reggae-Band Submission. Mit Tom Thiel produziert er unter dem Namen Bus eine im August erscheinende Platte für ~scape, die digitalen Minimalismus um HipHop- und Soul-Verweise erweitert.
taz hamburg: Die aktuelle Pole-Platte beschreitet deutlich neue Wege: Man hört HipHop-Rhythmen, von Musikern gespielte akustische Bässe, es wird sogar gerappt. Ist dies eine Art dialektischer Gegenbewegung: Weg vom zuletzt so konzeptuell wirkenden Laptop-Formalismus?
Stefan Betke: Der Vorwurf, dass mal etwas Neues geschehen soll, der nach dem dritten Album laut wurde, hatte mich gewundert. Das hat etwas mit Ungenauigkeit im Hören zu tun, schließlich unterliegt meine Musik von Platte zu Platte einem permanenten Wandel. Bei der aktuellen Platte habe ich mich gefragt: Was will ich behalten und was rauslassen? Elemente wie den Rauschfaktor und das Knistern habe ich rausgeschmissen, übrig blieben die Mikrosoundstrukturen in Melodieform oder in Akkord-Strukturen. Die habe ich mit neuen Elementen wie HipHop gefüllt.
Daniel Meteo: Stagnation würde ich ehe einer Reihe deutscher Technolabels vorwerfen. Ein anderes Beispiel wäre die Downbeat- und Lounge-Szene, die sehr hohe Verkaufszahlen erreicht. Ich will nicht verurteilen, wie da ein Qualitätsprodukt geschaffen wird. Aber die musikalischen Ideen waren schon mit den ersten Platte verbraucht.
Wie reagiert ein amerikanischer Rapper wie Fat Jon, mit dem du zusammengearbeitet hast, auf deutsche Minimal-Elektronik?
Stefan Betke: Fat Jon ist in einem reinem HipHop-Kontext aufgewachsen, hat aber mit Elektronik nicht viel zu tun. Unwissenheit ist manchmal hilfreich. Er hört die Musik mit der nötigen Distanz und genießt sie. Das ist ein Phänomen, das ich bei uns in der Elektronik lange vermisst habe. Da wird analysiert, und wenn man es verstanden hat, geht man nach Hause. Aber auch noch Spaß daran zu haben – um Gottes willen.
Nach älteren Veröffentlichungen von Can, den Einstürzenden Neubauten und D.A.F. ist Pole einer der wenigen deutschen Veröffentlichungen des britischen Labels Mute. Man hat manchmal den Eindruck, dass Pole im Ausland mehr gilt als zu Hause.
Stefan Betke: Beim Rumreisen sagen viele: „Oh, du kommst aus Berlin.“ Da wird einem ein offenes Ohr geschenkt. Berlin hat nur einen Nachteil: es liegt in Deutschland.
Daniel Meteo: Das ist auf jeden Fall ein kleines Problem.
Wie meint ihr das?
Stefan Betke: Berlin ist immer noch das Ghetto, das es seit Kriegsende gewesen ist – umgeben von einer kulturellen Mauer. Die Vielfalt und der Wunsch, hier was zu machen, ist weit weg von der Grundstimmung in Deutschland. Der Mainstreammarkt interessiert sich nicht dafür, was in Berlin passiert.
Daniel Meteo: Die Krise der Plattenbranche will ich als Musiker nicht ausbaden, nur weil es technische Schwierigkeiten bei den Formaten oder Kommunikationsprobleme mit den Verkäufern gibt, die mit neuen musikalischen Kategorien nicht klarkommen. Denn dass es ein Desinteresse gegenüber der Musik gibt, das sehe ich überhaupt nicht. Interview: Nils Michaelis
Freitag, 24 Uhr, Tanzhalle