piwik no script img

Minilöhne in der PflegeAckern für 6,40 Euro brutto

Die Pflegekommission tagt, um die Mindestlohngrenze in der Branche festzulegen. Doch private Arbeitgeber wollen höchstens 8,50 Euro brutto zahlen.

Pfleger sprechen mit alten Menschen, waschen und füttern sie, doch vom Lohn könne niemand leben, so eine Angestellte. Bild: ap

"Bei uns", sagt Monika Lange, "da landen die, die sonst keine Chance auf dem Arbeitsmarkt mehr haben, nirgendwo". Die 50-jährige Altenpflegehelferin ackert beim Personalserviceunternehmen Pluss in Berlin. Für 6,40 Euro brutto die Stunde arbeitet sie als Springerin in Seniorenheimen, bettet alte Menschen um, wäscht sie, reicht ihnen das Essen, spricht mit ihnen. "Es muss ein Mindestlohn her", sagt Lange (Name geändert)."Von dem Entgelt hier kann niemand leben."

Lange wäre unmittelbar betroffen von einem allgemeinverbindlichen Pflegemindestlohn. Um diese Lohngrenze auszuhandeln, trifft sich am Mittwoch wieder die beim Bundesarbeitsministerin angesiedelte Pflegekommission. Sie soll einen Mindestlohn festlegen, unter den dann niemand mehr rutschen könnte - auch Beschäftigte wie Lange nicht, die über eine Leiharbeitsfirma in der Branche arbeiten.

Die Kommission wurde noch von SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz berufen. "Sie wird auch unter der neuen Regierung weiterarbeiten", versichert eine Ministeriumssprecherin der taz. Scholz hatte gefordert, die Lohnuntergrenze noch in diesem Jahr festzulegen. Doch dieser Zeitplan ist nicht gewährleistet.

In der Kommission sitzen Vertreter von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und kirchlichen Trägern. Der Arbeitgeberverband Pflege möchte die Verhandlungen hinauszögern. "Wir bräuchten erst mal genauere Erhebungen, welche Stundenlöhne wo gezahlt werden, um dann die Folgekosten von Mindestlohngrenzen abschätzen zu können", sagt Verbandssprecher Florian Wastl.

Der Verband befürwortet eine Mindestlohngrenze von 8,50 brutto im Westen und 7,50 brutto im Osten. Die Gewerkschaft Ver.di hingegen fordert einen Mindeststundenlohn "im Bereich von um die zehn Euro", sagt Ver.di-Pflegeexperte und Komissionsmitglied Jürgen Wörner.

Der Arbeitgeberverband beruft sich auf ein umstrittenes Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), nach dem die Einführung eines Mindestlohnes von 9,68 Euro brutto in Pflegeheimen zu massiven Entlassungen, Einstellungsstopps und Insolvenzen führen könnte. Allerdings verarbeitete das RWI in seiner Hochrechnung nur die Daten privater Pflegeanbieter, und die zahlen meist schlechter als kirchliche Arbeitgeber.

Viel Geld verdient man bei Caritas und Deutschem Roten Kreuz allerdings auch nicht. 9,20 Euro brutto in der Stunde bekommt Sabine Heilmann (Name geändert) als ambulante Pflegehelferin in Berlin. Die 45-Jährige ist bei einem Tochterunternehmen der Caritas beschäftigt und erhält daher im Unterschied zu den Beschäftigten der Mutterfirma keine Sonntagszuschläge, auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld fallen flach.

Heilmann verdient mit Waschen, Nahrung reichen, Einkaufen für ihre PatientInnen in einer harten 30-Stunden-Woche 950 Euro netto. Der Job, bei dem sie auch schon mal eine Patientin tot im Bett vorfand, sei "auch psychisch sehr anstrengend", sagt die Alleinerziehende.

Ein Mindestlohn von 9,68 Euro würde für Heilmann keinen großen Sprung bedeuten. Die kirchlichen Anbieter allerdings müssten mit einer allgemeinverbindlichen Untergrenze nicht mehr den Unterbietungswettbewerb mit den schlechter löhnenden privaten Pflegediensten fürchten. Doch die Frage stellt sich: Wer zahlt in der Branche mit 2,3 Millionen Pflegebedürftigen und 800.000 Beschäftigten, in einer Branche der Schwachen?

Die Pflegesätze der Pflegeversicherung orientieren sich am "ortsüblichen Entgelt". Dieses sei vielerorts geprägt durch die privaten Anbieter, daher seien die Pflegesätze "zu niedrig" bemessen, sagt Caritas-Sprecherin Claudia Beck. Eine Erhöhung der Pflegesätze müsste am Ende von den Beitragszahlern getragen werden. Ob die von der neuen schwarz-gelben Koalition geplante Beitragserhöhung auch dafür verwendet wird, ist offen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

12 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • KW
    Katharina Weyandt

    Bravo, dass Barbara Dribbusch den Wert der Mindestlöhne darstellt, gerade für diejenigen Arbeitsgeber, die als letzte die Fahne tariflicher Reglungen hochhalten.

    Dass insgesamt mehr Geld in die Pflege gesteckt werden muss, wie der Pflegedienstmitarbeiter schreibt, ist die zweite wichtige Wahrheit, die man nicht oft genug wiederholen kann.

  • T
    Tyrfing

    Bitte, Menschen werden nicht "gefüttert".

    "Pfleger geben ihnen Essen" oder "reichen ihnen Essen" wäre angebrachter.

  • J
    Joachim

    Dann sollte für das Pflegepersonal die Botschaft klar sein: Ab nach Norwegen, Schweden, Finnland und in die Schweiz.

    Wenn genügend Leute ins Ausland abwandern, werden sich die Arbeitgeber überlegen, ob sie Beschäftigten in der Pflege weiterhin so billig abspeisen wollen.

  • P
    Parasitär

    Nur wer "arbeitet" soll auch "gut leben". Bei denen die nicht "arbeiten" (ob jung oder alt, ob behindert oder Hartz4)wird das "gut" durch ein mahnendes "über-" ersetzt.

    Entsprechend dem "Wert" ihrer Arbeit fallen die Gehälter bei Kinderbetreuung und Altenpflege eben niedrig aus. Die Privatisierung des "Dienst am Mitmenschen" führt, getrieben von marktwirtschaftlichen Sachzwängen, zu

    immer schlechteren Bedingungen für Betreute und Betreuer.

  • AN
    Anno Nühm

    30 Stunden Woche und 950€ im Monat. Das ist doch Massenhaft Geld und bei der geringen Belastung von nur 30 Stunden absolut ausreichend. Da kann man halt auch locker noch einen zweiten Job mit 20-30 Stunden machen.

    Ich bin Praktikant und erhalte 400€ im Monat + 250€ Kindergeld (=650€) und arbeite 50-60 Stunden die Woche. Ist zwar Ausbeutung aber so ist nun mal der Kapitalismus!!!!

  • P
    Pflegedienstmitarbeiter

    Wie jetzt? Die "privaten" Pflegedienstleister senken das ortsübliche Entgelt? Und Caritas und Konsorten halten die Mindeslohnfahnen hoch? Einige Annmerkungen zu dieser verzerrten Wahrnehmung:

     

    1. Die Höhe des Entgelts für die Mitarbeiter richtet sich logischerweise an dem aus, wie produktiv dieser ist, d.h. wieviel Patienten er/sie pro Stunde abwickelt. 5 Minuten pro Patient sind bei der Caritas nicht unüblich. Entsprechend "produktiv" sind die gehetzten Pflegekräfte dann. Immerhin kann Caritas deswegen Weihnachtsgeld zahlen, na prost Mahlzeit.

     

    2. Die Ursache dieses Problems: Ein Pflegedienst wird nicht pro Stunde bezahlt, sondern für gewisse Leistungen, die in einem Leistungskatalog einheitlich abgerechnet werden. Ob jemand für "An-/Auskleiden" 2 Minuten oder 10 Minuten benötigt wird somit das entscheidende Rentabilitätskriterium.

     

    3. Genau hier ist der Hebel: Es gibt Pflegedienste, die machen ihre Arbeit schnell, um den Profit zu steigern. Es gibt aber auch Pflegedienste, die arbeiten sorgfältig, um die Patienten besser zu versorgen. Aber welche alte Dame 80+ wechselt denn schon gerne den Pflegedienst wie die Unterwäsche, begibt sich also auf die Suche nach dem für sie besten Angebot? Konkurrenzkampf ist hier eine zähes Anliegen.

     

    4. Die Pflegeversicherung ist zur Zeit nur eine Teilkasko, d.h. wenn jemand so richtig gebrechlich ist, kriegt er gerade genügend Pflegesachleistungen gestellt, dass ihm jemand 2x täglich beim An-/Ausziehen hilft, die Körperpflege vornimmt und mit ein bisschen Glück noch zum Arzt oder zum Einkaufen begleitet. Wer als Pflegedienstleitung mehr Leistungen für das gleiche Geld bietet, zieht es sich als selbständiger Unternehmer direkt vom eigenen Einkommen ab, da keiner bereit ist, im angemessenen Maße drauf zu zahlen.

     

    Fazit: Hier ist der Fehler im System: Die Pflegesätze, die seit knapp 10 Jahren nicht erhöht wurden, müssten langsam aber konsequent erhöht werden. Sonst ist auch die Pflege nicht ausreichend zu gewährleisten bzw. bleibt die Pflege ein Niedriglohnsektor, in dem Schwerstarbeit geleistet wird. So sieht das nämlich aus.

  • KW
    Katharina Weyandt

    Bravo, dass Barbara Dribbusch den Wert der Mindestlöhne darstellt, gerade für diejenigen Arbeitsgeber, die als letzte die Fahne tariflicher Reglungen hochhalten.

    Dass insgesamt mehr Geld in die Pflege gesteckt werden muss, wie der Pflegedienstmitarbeiter schreibt, ist die zweite wichtige Wahrheit, die man nicht oft genug wiederholen kann.

  • T
    Tyrfing

    Bitte, Menschen werden nicht "gefüttert".

    "Pfleger geben ihnen Essen" oder "reichen ihnen Essen" wäre angebrachter.

  • J
    Joachim

    Dann sollte für das Pflegepersonal die Botschaft klar sein: Ab nach Norwegen, Schweden, Finnland und in die Schweiz.

    Wenn genügend Leute ins Ausland abwandern, werden sich die Arbeitgeber überlegen, ob sie Beschäftigten in der Pflege weiterhin so billig abspeisen wollen.

  • P
    Parasitär

    Nur wer "arbeitet" soll auch "gut leben". Bei denen die nicht "arbeiten" (ob jung oder alt, ob behindert oder Hartz4)wird das "gut" durch ein mahnendes "über-" ersetzt.

    Entsprechend dem "Wert" ihrer Arbeit fallen die Gehälter bei Kinderbetreuung und Altenpflege eben niedrig aus. Die Privatisierung des "Dienst am Mitmenschen" führt, getrieben von marktwirtschaftlichen Sachzwängen, zu

    immer schlechteren Bedingungen für Betreute und Betreuer.

  • AN
    Anno Nühm

    30 Stunden Woche und 950€ im Monat. Das ist doch Massenhaft Geld und bei der geringen Belastung von nur 30 Stunden absolut ausreichend. Da kann man halt auch locker noch einen zweiten Job mit 20-30 Stunden machen.

    Ich bin Praktikant und erhalte 400€ im Monat + 250€ Kindergeld (=650€) und arbeite 50-60 Stunden die Woche. Ist zwar Ausbeutung aber so ist nun mal der Kapitalismus!!!!

  • P
    Pflegedienstmitarbeiter

    Wie jetzt? Die "privaten" Pflegedienstleister senken das ortsübliche Entgelt? Und Caritas und Konsorten halten die Mindeslohnfahnen hoch? Einige Annmerkungen zu dieser verzerrten Wahrnehmung:

     

    1. Die Höhe des Entgelts für die Mitarbeiter richtet sich logischerweise an dem aus, wie produktiv dieser ist, d.h. wieviel Patienten er/sie pro Stunde abwickelt. 5 Minuten pro Patient sind bei der Caritas nicht unüblich. Entsprechend "produktiv" sind die gehetzten Pflegekräfte dann. Immerhin kann Caritas deswegen Weihnachtsgeld zahlen, na prost Mahlzeit.

     

    2. Die Ursache dieses Problems: Ein Pflegedienst wird nicht pro Stunde bezahlt, sondern für gewisse Leistungen, die in einem Leistungskatalog einheitlich abgerechnet werden. Ob jemand für "An-/Auskleiden" 2 Minuten oder 10 Minuten benötigt wird somit das entscheidende Rentabilitätskriterium.

     

    3. Genau hier ist der Hebel: Es gibt Pflegedienste, die machen ihre Arbeit schnell, um den Profit zu steigern. Es gibt aber auch Pflegedienste, die arbeiten sorgfältig, um die Patienten besser zu versorgen. Aber welche alte Dame 80+ wechselt denn schon gerne den Pflegedienst wie die Unterwäsche, begibt sich also auf die Suche nach dem für sie besten Angebot? Konkurrenzkampf ist hier eine zähes Anliegen.

     

    4. Die Pflegeversicherung ist zur Zeit nur eine Teilkasko, d.h. wenn jemand so richtig gebrechlich ist, kriegt er gerade genügend Pflegesachleistungen gestellt, dass ihm jemand 2x täglich beim An-/Ausziehen hilft, die Körperpflege vornimmt und mit ein bisschen Glück noch zum Arzt oder zum Einkaufen begleitet. Wer als Pflegedienstleitung mehr Leistungen für das gleiche Geld bietet, zieht es sich als selbständiger Unternehmer direkt vom eigenen Einkommen ab, da keiner bereit ist, im angemessenen Maße drauf zu zahlen.

     

    Fazit: Hier ist der Fehler im System: Die Pflegesätze, die seit knapp 10 Jahren nicht erhöht wurden, müssten langsam aber konsequent erhöht werden. Sonst ist auch die Pflege nicht ausreichend zu gewährleisten bzw. bleibt die Pflege ein Niedriglohnsektor, in dem Schwerstarbeit geleistet wird. So sieht das nämlich aus.