Mindestlohn bei Wachschützern: "Öffentliche Aufträge zum Billigtarif"
Das Land muss Aufträge an den billigsten Anbieter vergeben, sagt Harald Olschok vom Bundesverband Deutscher Sicherheitsunternehmen. Er begrüßt einen gesetzlichen Mindestlohn.
taz: Herr Olschok, welche Rolle spielt das Land Berlin als Auftraggeber im Wachschutzgewerbe?
HARALD OLSCHOK vertritt mit dem Verband Deutscher Sicherheitsunternehmen 50 von 130 Berliner Firmen.
Harald Olschok: Wir schätzen, dass 60 bis 70 Prozent der Aufträge aus dem öffentlichen Bereich kommen. Insgesamt entfällt der überwiegende Anteil auf das Land Berlin.
Und wie viele der 11.500 Wachschützer, die in Berlin tätig sind, verdienen bereits heute 7,50 Euro und mehr pro Stunde?
Wir haben natürlich eine differenzierte Tariflandschaft. Kaufhausdetektive oder Leute mit einer Berufsausbildung verdienen mehr. Doch der Tariflohn für den einfachen Objektschützer beträgt derzeit 5,25 Euro und wird ab 1. April auf 5,50 Euro steigen. Und das betrifft die Mehrheit der Beschäftigten. Man kann davon ausgehen, dass alle öffentlichen Aufträge zum Billigtarif weggehen.
Warum sind die Löhne in Berlin so niedrig?
Das liegt zum einen an der großen Konkurrenz und vor allem an der Vergabepraxis selbst. Im Vergaberecht ist vorgeschrieben, dass Aufträge immer an den billigsten Anbieter vergeben werden. Zum anderen haben wir das Problem, dass 20 Prozent der Aufträge an Brandenburger und Thüringer Unternehmen vergeben werden. Und dort gelten derzeit deutlich niedrigere Mindestlöhne.
Welche Auswirkung hätte ein Mindestlohn von 7,50 Euro für die Branche in Berlin?
Wir haben nichts dagegen, wenn sich das Land diese Vorgabe selbst auferlegt und hinterher auch wirksam kontrolliert. Das gibt uns die Möglichkeit, die Löhne weiterzuentwickeln. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die öffentlichen Auftraggeber in Berlin den Zusammenhang zwischen Mindestlohn und Preis nicht immer realistisch einschätzen. Bei einem Mindestlohn von 7,50 Euro steigt der Preis für die Arbeitsstunde auf mindestens 12 Euro - im Unterschied zu etwa 9 Euro bisher.
Es wird also nicht kostenneutral für die öffentliche Hand?
Nein, sicherlich nicht.
Kann denn die Einhaltung der Mindestlöhne überhaupt kontrolliert werden?
Ja. Der Auftraggeber könnte sich von dem Beschäftigten, der ein öffentliches Gebäude bewacht, die Lohnabrechnung zeigen lassen. Auch staatliche Stellen wie Zollämter können Überprüfungen vornehmen. Im Baugewerbe ist das seit 12 Jahren üblich. Natürlich gibt es immer Schlupflöcher. Doch die Unternehmen werden sich schon überlegen, ob sie das Risiko eingehen werden, künftig von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen zu werden.
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