Minderheitsregierung in NRW: Neues Machtverhältnis im Bundesrat
Mit einem schnellen Ende des Düsseldorfer Experiments rechnet in Berlin keiner. Aber ein Modell für den Bund sieht darin nur SPD-Chef Sigmar Gabriel.
BERLIN taz | Eines immerhin hat die neue nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) am Tag ihrer Wahl schon geschafft: Sie hat die zerstrittene Koalition auf Bundesebene für einen kurzen Moment geeint. Gemeinsam traten die Generalsekretäre Hermann Gröhe (CDU), Christian Linder (FDP) und Alexander Dobrindt (CSU) am Mittwoch in der Berliner CDU-Zentrale vor die Presse, um Kraft des Wortbruchs zu zeihen. Die SPD-Politikerin habe eine Tolerierung durch die Linke im Wahlkampf ausgeschlossen, nun komme sie durch deren Stimmenthaltung ins Amt, sagte Gröhe.
Hinter vorgehaltener Hand rechnen die Berliner Koalitionäre allerdings nicht mit einem allzu schnellen Ende des Düsseldorfer Experiments. Sie stellen sich darauf ein, bis auf Weiteres ohne eigene Bundesratsmehrheit zu regieren. In der Länderkammer müssen sie sich entweder mit der SPD einigen oder mit den Grünen – auch die Stimmen aus Hamburg und dem Saarland würden für Gesetzesbeschlüsse reichen. Deshalb hat Schwarz-Gelb am vergangenen Freitag noch schnell ein Stipendienprogramm beschlossen, deshalb sind Regierungsjuristen schon länger damit beschäftigt, möglichst viele Gesetze nicht zustimmungsbedürftig durch den Bundesrat zu erklären.
Bei der geplanten Verlängerung der Atomlaufzeiten wird das allerdings schwierig. Zwar hatte die rot-grüne Bundesregierung den Atomausstieg seinerzeit ohne Beteiligung der Länderkammer beschlossen. Allerdings hatten die CDU-regierten Länder damals scharf protestiert. Auch kämen mit längeren Laufzeiten zusätzliche Aufgaben auf die Länder zu, weil sie für die Atomaufsicht zuständig sind.
Als Modell für die Bundesebene sieht bislang allerdings nur einer die Koalition in Düsseldorf: SPD-Chef Sigmar Gabriel. Eine solche Variante sei allemal besser als eine Regierung mit Mehrheit, aber ohne Projekt, sagte Gabriel am Wochenende. Dem dadurch hervorgerufenen Eindruck, die SPD strebe eine eigene rot-grüne Mehrheit gar nicht mehr an, trat sogleich Generalsekretärin Andrea Nahles entgegen.
Eines ist nach Krafts Wahl vom Mittwoch allerdings klar: Die Zeiten, in denen das neurotische Verhältnis zwischen SPD und Linkspartei der CDU ein Dauerabo auf die Macht verlieh, neigen sich dem Ende zu. Neue Bündnisoptionen etwa zwischen CDU und Grünen oder zwischen SPD und FDP sind damit aber nicht vom Tisch. Bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz könnte es nächstes Jahr die Wiederaufnahme rot-gelber Koalitionen geben, in Baden-Württemberg womöglich Schwarz-Grün. Beides würde die Unruhe in der Berliner Koalition verstärken.
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