■ Milliardendesaster des Bau-Tycoons J. Schneider: Banken und Baulöwe – gefräßig
Der Vorsitzende der Landtagsfraktion der hessischen SPD, Armin Clauss, schäumte gestern – in Erwartung des Zusammenbruchs der Firmengruppe Dr. Jürgen Schneider AG – gegen die Kreditvergabepraktiken der Banken an. Die Kritik ist mehr als berechtigt: Die Vorstände in den deutschen Großbanken haben dem Baulöwen die Milliarden offenbar nur so in den Rachen geworfen – geblendet vom matten Glanz der alten Fassaden der historischen Villen und Hotels, die Schneider bevorzugt aufkaufte, um sie dann (frisch gestrichen und saniert) wieder zu verkaufen oder selbst zu bewirtschaften. Geblendet auch von den Einkaufspalästen und Galerien für Luxusgeschäfte, die Schneider in deutschen Großstädten aus dem Boden stampfen ließ. Mehr als eine Milliarde Mark hat selbst der Branchenleader Deutsche Bank dem hyperaktiven Schneider geliehen, der damit sein Bau- und Immobilienimperium weiter expandieren ließ, bis er selbst – und offenbar auch die Deutsche Bank – den Überblick verlor und damit endgültig zum Blender wurde.
Schneider ist seit Montag abgängig. Der Mann mag ein Hasardeur (gewesen) sein, der die Auswirkungen der Rezession auf die Bau- und Immobilienbranche falsch einschätzte. Die Vorstände der rund 50 Banken, die jetzt „ihrem“ Geld hinterherlaufen müssen, haben diesen Markt aber zeitgleich völlig falsch eingeschätzt – und deshalb aufs falsche Pferd gesetzt. Es war der Vorstandschef der Deutschen Centralboden AG, Detlef Rode, der noch vor zwei Jahren tönte, daß es Zusammenbrüche wie auf den Immobilienmärkten anderer Länder in Deutschland nicht geben werde. Die Deutsche Centralboden AG ist eine 100prozentige Tochter der Deutschen Bank – und der Hauptgläubiger von Schneider.
Während die Banken etwa in Sachen Metallgesellschaft Frankfurt/Main die Suppe noch mit auslöffelten, die sie – in Tateinheit mit dem Vorstand der Metallgesellschaft – mit eingebrockt hatten, wollen sich die Kreditinstitute aus dem drohenden Zusammenbruch der Firmengruppe Schneider offenbar völlig heraushalten. Eine Rettungsaktion für Schneider wird es nicht geben, weil die Banken ihre Kredite (teilweise) durch Grundpfandrechte auf die finanzierten Immobilien abgesichert haben. Die Opfer der stümperhaften Kontrolle der Banken bei der Kreditvergabe und der blauäugigen Marktprognosen der hochdotierten Bankenvorstände werden die rund 2.000 Beschäftigten der Firmengruppe Schneider sein – zusammen mit den Bauhandwerksbetrieben in Ost- und Westdeutschland, bei denen Schneider noch in der Kreide steht. Armin Clauss forderte gestern in Wiesbaden einen öffentlichen Diskurs über Ethik und Moral in der Wirtschaft. Der ist in der Tat längst überfällig. Klaus-Peter Klingelschmitt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen