Migranten bei Wohnungssuche diskriminiert: Ein deutscher Name ist die halbe Miete
Bewerber mit Migrationshintergrund haben es bei der Wohnungssuche viel schwerer als Deutsche, so eine Studie. Vermieter reagierten schon abweisend bei ausländisch klingenden Namen. Die Diskriminierung ist im Nachhinein kaum zu beweisen.
Wer eine gute Wohnung möchte, sollte am besten Schulz oder Meier heißen - denn Wohnungssuchende mit ausländisch klingendem Namen werden deutlich benachteiligt. Das belegt jetzt erstmals eine Studie einer Studentin der Humboldt-Universität.
Für ihre Diplomarbeit "Erfahrungen von türkischen und türkeistämmigen Migranten bei der Wohnungssuche in Berlin" hat Emsal Kilic umfangreiche empirische Forschung betrieben. "Zunächst habe ich je zehn E-Mail-Adressen mit deutschen und türkischen Namen eingerichtet und von diesen aus dann je 100 Inserate für Wohnungen in Wilmersdorf und Neukölln mit ähnlichen Formulierungen beantwortet", berichtet sie. Fiktive deutsche Absenderinnen wie Sonja Sommer hätten für Wilmersdorf sechs positive Antworten erhalten, scheinbar türkische Bewerberinnen dagegen keine. "Wilmersdorf als bessere Wohngegend ist in geringerem Maße für Menschen mit Migrationshintergrund zugänglich", schließt Kilic. Anders in Neukölln: Vermieter signalisierten 13-mal den deutschen, elfmal den türkischen Bewerberinnen Interesse.
"Unter den erfundenen türkischen Namen wie Ayse Gülec habe ich dann Telefonate mit den Wohnungsverwaltungen geführt, unter deutschen Namen eine Freundin anrufen lassen." Letztere hätte neun Besichtigungstermine vereinbaren können. Emsal Kilic hätten die Vermieter derselben Wohnungen nur in vier Fällen eingeladen.
"Die jeweils vier Termine habe ich dann eine deutsche sowie eine türkische Freundin unabhängig voneinander wahrnehmen lassen. Nach jeder Besichtigung riefen sie bei den Wohnungsverwaltungen an und bekräftigten ihr Interesse." Das Ergebnis sei klar ausgefallen: Die türkische Bewerberin hätte eine Rückmeldung erhalten, vier Zusagen gab es dagegen für die Deutsche. "Eine signifikante Ungleichbehandlung: Die Bewerberin mit türkischem Namen wurde vor Ort nicht direkt benachteiligt, aber im Gegensatz zu meiner deutschen Freundin explizit auf die Notwendigkeit von Einkommensnachweis und Schufa-Auskunft hingewiesen", resümiert Kilic, deren Diplomarbeit im Fachbereich Stadt- und Regionalsoziologie von Hartmut Häussermann betreut wurde, der mehrere Studien zur sozialen Lage in der Stadt erstellt hat.
Keine Überraschung ist das Ergebnis für Nuran Yigit vom Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin: "Die Suche nach Wohnungen in einer Wunschgegend ist für Menschen mit Migrationshintergrund ein ähnlich gravierendes Problem wie die nach Arbeit." In einem aktuellen Fall sei einer älteren türkischen Frau eine Besichtigung ausdrücklich verwehrt worden, weil sie nur gebrochen Deutsch spreche. Überhaupt erst thematisiert worden sei dies, als Helfer der Pflegebedürftigen einen Termin mit dem Vermieter vereinbaren wollten. Die Frau wollte nicht dagegen zu klagen. "Für jemanden, der alt und krank ist, kostet das zu viel Geld und Energie", so Yigit.
So gehe es vielen Betroffenen, weiß auch Katharina Skerka vom Bund für Antidiskriminierungs- und Bildungsarbeit: "Wir verfassen oft zusammen mit den Betroffenen Beschwerdebriefe." Derartige Diskriminierungen bei der Wohnungsvergabe seien jedoch schwer zu beweisen, ergänzt Reiner Wild vom Berliner Mieterverein. "Wie soll man nachweisen, dass unter vielen Absagen einige wegen der Herkunft gegeben werden?"
Die Vermieter weisen diese Vorwürfe zurück. In erster Linie gehe es bei der Wohnungsvergabe um die Mietzahlungsfähigkeit, erklärt Hiltrud Sprungala, Geschäftsführerin der Berlin-Brandenburg-Sektion des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen. Es gehöre zum Selbstverständnis der Mitgliedsunternehmen, niemanden aufgrund von Herkunft, Hautfarbe oder Rasse abzulehnen.
"Ich kann mir das beim besten Willen nicht vorstellen", meint auch Dieter Blümmel. Der Sprecher der Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus & Grund weist auf die ausführliche Aufklärungsarbeit hin, die sein Verband nach der Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gegenüber seinen Mitgliedern geleistet habe. Das Gesetz ermöglicht jedoch die unterschiedliche Behandlung von Bewerbern, offiziell um Bewohnerstrukturen sozial stabil zu halten. Auf Drängen der Wohnungsunternehmens-Branche sei der entsprechende Passus damals aufgenommen worden, schildert Blümmel - er hält dies für nachvollziehbar. Ethnisch verfeindete Gruppen unter einem Dach bedeuteten, "dass ich mir den Krieg aus der Ferne ins eigene Haus hole".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!