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Archiv-Artikel

Miethai: Neuigkeiten aus Karlsruhe Lebensfremde Mietminderungspraxis

Neulich auf einer Tagung von Mietrechtlern in Dortmund warteten die Richter des Bundesgerichtshofs wieder einmal mit einer Überraschung auf: Nach ihrem Willen soll bei Vorliegen eines Mangels die damit verbundene Gebrauchsbeeinträchtigung – die zur Mietminderung führt – als Quote in Prozent (vorläufig) ermittelt und der sich ergebende Betrag nach Erhalt der nächsten Betriebs- und Heizkostenabrechnung überprüft werden. Berechnungsgrundlage für die Mietminderung ist bekanntlich die Bruttomiete – dies sind Kaltmiete zuzüglich Betriebs- und Heizkosten (soweit diese an den Vermieter entrichtet werden).

Sollte sich diese Auffassung durchsetzen, würde die tatsächliche Höhe einer Mietminderung erst nach Abrechnung der Heiz- und Betriebskosten feststehen. Denn in der Regel zahlen Mieter ihre Nebenkosten als vorläufige Zahlungen, und ihre endgültige Höhe steht erst nach der jährlichen Abrechnung fest. Soweit die Nebenkosten zu niedrig angesetzt waren und sich eine Nachforderung zu Lasten der MieterInnen ergibt, müsste die Minderung entsprechend nach oben korrigiert werden. Im umgekehrten Fall – zu hoch angesetzte Vorauszahlungen und Nebenkostenguthaben für die MieterInnen – wäre die Minderung zu hoch und müsste entsprechend reduziert werden.

Meinungsverschiedenheiten über die Höhe der Mietminderung könnten nach dieser Meinung nicht kurzfristig geklärt werden, sondern erst nach Erhalt der Nebenkostenabrechnungen. Zwischen Auftreten des Mangels, Mietminderung und Nebenkostenabrechnung können aber locker bis zu zwei Jahre verstreichen.

Rechnerisch spannend dürfte es werden, wenn Mieter – wie in der Praxis üblich – in den einzelnen Monaten in unterschiedlicher Höhe mindern oder aber Streit über die tatsächliche Höhe der Nebenkosten besteht, der erst Jahre später beigelegt werden kann. Derartige Konstellationen werden wohl nur wahre Rechenkünstler bewältigen können.

Der Aufschrei der in Dortmund versammelten Praktiker gegen diese lebensfremde und unsinnige Berechnungspraxis beeindruckte die anwesenden Richter vom BGH übrigens nicht. So steht zu befürchten, dass zukünftig MieterInnen und Vermieter sich viele Monate nach einer durchgeführten Minderung erneut mit dem Thema beschäftigen müssen, anstatt zeitnah die Frage einer angemessenen Minderung klären zu können.

Andree Lagemann ist Juristin bei Mieter helfen Mietern, Bartelsstr. 30, 20357 Hamburg, ☎ 431 39 40