Metropolis-Reihe zum Tod von Gregory Peck beginnt – natürlich – mit „Moby Dick“ : Der schönste Wal der Welt
Die deutsche Synchronisation vermasselt gleich den ersten Satz. „Ich heiße Ismael“, stellt sich der forsche Erzähler vor und stiefelt Richtung Meer. „Call me Ishmael“, lautet der originale Beginn von Herman Melvilles Roman Moby Dick, und Hustons Verfilmung gibt ihn werktreu wieder. Denn alles braucht zuallererst einen Namen, um erzählt zu werden. Und ein Name ist vieles: Bestimmung, Zauberformel, Bannspruch. Nur eines ist er nicht: selbstverständlich. Der, den wir Ismael nennen sollen, kehrt ein in der Walfängerkneipe von Peter Coffin. Ein böses Omen? Ganz am Ende des Films ist es ein Sarg, der Ismael als einzigen über Wasser hält.
Moby Dick quillt über vor Namen, die mehr sind als bloße Benennung, quillt über vor Zeichen, die vielsinnig bezeichnend sind. Aber – und das macht den Film so klug – keine mögliche Bedeutung entwindet sich ihrer narrativen Funktion und hinein in eine bloß symbolische. Bevor Ismael mit der „Pequod“ in See sticht, erschreckt ihn eine abgerissene Gestalt am Quai: „Am Tag, an dem ihr Land riechen werdet, wo keines ist, wird Ahab sterben und wieder auferstehen. Er wird euch zuwinken und alle in den Tod reißen. Alle bis auf einen.“ Elias nennt sich dieser Mann. Dass sich seine Prophezeiung erfüllen wird, wissen wir schon, bevor die große Jagd begonnen hat.
Huston nimmt in Ismaels Eingangsmonolog über die See, zu der der Mensch geht, um sich zu finden wie in einem Spiegel, in Pater Mapples Jonas-Predigt, in Ahabs tyrannischen Blutschwüren alles Kommende vorweg. Jedem Abenteuerfilm bräche solcher Vorgriff das dramaturgische Genick. Moby Dick aber ist Abenteuer nur in vordramatischem Sinn. Niederlage und Sieg sind eins, gut ist von böse ununterscheidbar, die Entscheidung des Einzelnen lediglich Erfüllung des undurchschaubaren Ganzen.
„Ich würde die Sonne angreifen, wenn sie mich beleidigte“, grollt Ahab zwar in prometheischem Größenwahn. Anders als des Titanenspross‘ Blasphemie ist die seine jedoch ganz und gar zweckfrei. Die Menschheit kann durch sie nichts gewinnen, Gewinn ist keine Sache der Menschheit. Darin liegt viel Demut. Die Demut des Primitiven, noch diesseits aller mythologischen Rechtfertigung. (Der „Wilde“ Queequeg hockt sich zum Sterben in die glühende Sonne, allein weil ihm Zauberknöchelchen den Tod ankünden.) Segensreichen Gewinn in Ölfässern und rationalen Argumenten erhofft einzig Starbuck, der Steuermann und gläubige Quäker. Sein Bemühen endet in halbherziger Meuterei, in Intrigen wider alle Vernunft. Nach ihrem Scheitern wird sie Ahabs Erbe nur umso rasender antreten. Das Desaster der Aufklärung.
Ein Abenteuer ist der Film dennoch, weil Huston seine realistische Härte in durch und durch unwirklichen Farben tönt, sie tragen den Kampf aus um Freiheit und Schicksal. Das grünbraune Meer hat nichts vom Romantikblau unserer Vorstellung. Die ausgewaschene Aquarellpalette nichts von blutiger Schlacht mit dem Leviathan. Durch Ahabs rabenschwarzen Bart zieht sich eine schlohige Strähne, seine Beinprothese ist aus verblichenem Walbein. Schneeweiß – wie eine Leinwand? – ist der Wal lediglich in Erinnerungen der Walfänger. Als er auftaucht, ist sein Leib zerfurcht, fleckig und aschfarben. Keine Tabula rasa lässt Huston hier den Untiefen entsteigen, sondern einen vielfach Gezeichneten, dessen malträtierte Haut nicht bloß Spuren davonträgt aus ewigem Kampf, sondern dieser Kampf selbst ist.
Abenteuerlich war auch die Produktion. Zwei teure Jahre hat sie gedauert und mehrere Plastikwale im Sturm verloren. Die Kritik ist hergefallen über die offenkundige Fehlbesetzung des dämonischen Ahab durch den schönsten Melancholiker der Welt. Gregory Peck (5.4.1916–12.6.2003) ist nun tot. Moby Dick ward, so erzählt man, hier oder dort noch gesichtet. URS RICHTER
Fr, 17 Uhr, Mo, 21.15 Uhr, Mi + Do, 7.8., 17 Uhr; Metropolisweitere Filme der Reihe: Kap der Angst (ab Mi), Ein Köder für die Bestie (ab 8.8.), Der Fall Paradin (ab 16.8.), Der Spieler (ab 19.8.) sowie Wer die Nachtigall stört (ab 25.8.)