M‘era Luna: Die Schminke zählt

Hunderte schwarz gekleidete Gestalten sitzen umhüllt von orangefarbenen Nebelschwaden auf der Wiese vor der Bühne. Ihre grell gefärbten Haare und stark geschminkten Gesichter sind jetzt kaum zu erkennen. Mit dunklem Grollen dringen die Bässe durch, schwere Gitarren, Dark Metal und elektronische Sounds hallen über den Hildesheimer Flugplatz. Die New-Wave- und Gothic-Fans verfolgen die Show der norwegischen Band „Gothminister“. Zum siebten M‘era Luna-Festival sind am vergangenen Wochenende rund 30.000 Besucher ins tief bürgerliche Hildesheim gekommen.

Ohrstöpsel brauchen die Fans nicht, auch wenn sie direkt vor der Bühne stehen. Das Personal an den Getränkeständen und Imbissbuden nimmt die kleinen Lärmschützer aber dankend entgegen. Die Klänge seien dann etwas dumpfer, sagt eine Mitarbeiterin. Die Lautstärke stört Ralf Meisenhöfer hingegen nicht. Er liebt die düstere Musik und ist mit zwölf Freunden zum Festival gekommen. Das Stylen seiner pechschwarzen Haare habe gedauert: Rund 25 Zentimeter hoch steht der Irokesenschnitt. „Das hat ein Kumpel heute morgen vor dem Zelt gemacht. Die Haare werden antoupiert und dann kommt Haarspray drauf“, erklärt der 26 Jahre alte Familienvater aus dem Sauerland. Seine beiden ein- und zwei Jahre alten Kinder hat er lieber zu Hause gelassen, „die sind noch zu klein“.

Die Frisur und ein geschminktes Gesicht sind für die Gothic-Fans wichtig. Das sorgt für Schwierigkeiten: „Es gibt zu wenig Spiegel hier, das mit dem Schminken ist echt ein Problem“, sagt Mona Fichtel. Die 17-jährige Braunschweigerin und ihre Freunde haben sich deshalb in den Zelten, die auf Feldern rund um den Flugplatz stehen, vor einem Handspiegel gestylt. Sie und ihre Freundin Jessi Krol freuen sich darauf, Musik zu hören und Leute zu treffen, die sie im Internet kennen gelernt haben. Beide sind zum dritten Mal auf dem Festival.

Rose Krohn stöbert an einem der Verkaufsstände auf dem Gelände nach passenden Sachen. Dort gibt es Kleidung, CDs, Sonnenbrillen, Silberschmuck in allen Variationen, Gürtel und Tücher. Die 18 Jahre alte Schülerin aus Speyer freut sich auf die Shops, die sie schon online gesehen hat. „Man kann hier alles kaufen, aber auch die Bands sind klasse. Mein Favorit ist Funker Vogt“, verrät sie. Ziemlich müde steht Sebastian Emmert neben ihr. Der 19 Jahre alte Auszubildende aus Ludwigshafen hat die ganze Nacht nicht geschlafen und im Hangar Party gemacht.

Bei den Fans dominiert eindeutig die Farbe Schwarz. Vereinzelt sind auch rote oder lilafarbene Kleider zu sehen. Lack, Leder und Netzstrümpfe gehören zum Outfit unbedingt dazu. Kurze Röcke, Schnürstiefel, lange dunkle Mäntel sowie Nietengürtel und Piercings sind im Trend. Und neuerdings auch Camouflage-Klamotten.

Die 40 Bands, die auf zwei Bühnen spielen, präsentieren Musik von mittelalterlichen Klängen über Düster-Rock bis hin zu harten elektronischen Songs. Mit dabei sind bekannte Gruppen der Szene wie „Terminal Choice“, „Bauhaus“, „The Gathering“, „Apoptygma Berzerk“, „Nitzer Ebb“ und „Within Temptation“.

So schrill, wie die Namen der Bands sind und die Fans aussehen – die Polizei hat ein ruhiges Wochenende. Es habe keine Randale oder Probleme beim M‘era Luna-Festival gegeben, sagt ein Polizeisprecher am Sonntag. Nur die Anwohner litten unter der lauten Musik, einige beschwerten sich. Wie jedes Jahr. taz/dpa