: „Menschenrechtslobby“ – ein Schimpfwort? –betr.: „Ist das Glas halb voll oder halb leer?“, taz vom 27./ 28. 2. 99
[...] Kann Herr Blume eigentlich noch den Begriff „Menschenrechte“ verwenden, ohne ihm irgendeine Denkvorgabe voranzustellen? Blume schreibt von „grüner Menschenrechtslobby“, „rechten Kalten Kriegern“ und „linken Menschenrechtlern“. Das ist ja wohl in der Wirklichkeit doch noch etwas komplizierter und insbesondere vielfältiger. Ist „Menschenrechtslobby“ inzwischen ein Schimpfwort? Wenn ja, wem ist es wann und wie gelungen, das in einen negativ belegten Begriff zu verwandeln?
Es stimmt: Die Menschenrechtsdiskussion wurde instrumentalisiert. Das als teutonische Tradition zu sehen, verlangt jedoch allzuviel Vergeßlichkeit. Und was die Instrumentalisierung von Moral (doppelt hält besser) anbetrifft, liegen wir insbesondere bei der Wahl der Mittel weit hinter den USA zurück. Tatsache ist jedenfalls, daß China ausgerechnet nach unterschriftlicher Anerkennung internationalen Interesses an der Menschenrechtssituation in den eigenen Grenzen und nach bravem Schweigen der EU im letzten Jahr die Daumenschrauben nun erst recht stärker anzog. Verarschung auf ihrem Höhepunkt: Der neue „Pragmatismus“ bewährt sich ohne Zweifel – jedenfalls für die chinesische Nomenklatura.
[...] Übrigens: Im Durchschnitt ist das Glas in China immer noch eher leer als voll. Und heute ist das Glas in China für viele Chinesen wieder sehr leer und für wenige Chinesen wieder sehr voll. [...] Auch global wächst die Ungleichverteilung im Zusammenspiel mit dem dazu passenden neuen und schicken Pragmatismus, der uns sehr beim Wohlfühlen auf der Wohlstandsinsel hilft. Denn nicht nur Menschenrechte wären auch bei uns etwas teurer, wenn sie gleichmäßiger über die Welt verteilt wären. Götz Kluge, München
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