Menschenrechtsexperte zur Polizeiausbildung: "Es fehlt der Fokus auf Hass als Motiv"

Deutschen Polizisten fehlt häufig die Sensibilität für Straftaten, die aus Hass begangen wurden, sagt der Menschenrechtsexperte Williamson. Ihre Ausbildung müsse sich ändern.

Gewöhnliche Schlägerei – oder ist Hass im Spiel? Bild: atmoserv. / photocase.com

Herr Williamson, Human Rights Watch hat in einem am Freitag veröffentlichten Hintergrundpapier die Ausbildung der Polizei in Deutschland kritisiert. Um was genau geht es da?

Wir kritisieren die fehlende Ausbildung von Polizisten und Polizistinnen in Bezug auf Hasskriminalität. Dies wird von deutschen Behörden oft nicht hinreichend untersucht.

Was ist Hasskriminalität? Geht es dabei um Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund?

47, ist Abteilungsleiter für die Regionen Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch. Seit August arbeitet er in der Berliner Außenstelle der Menschenrechtsorganisation. Zuvor war er bereits von 2001 bis 2008 als Korrespondent der Financial Times in der Bundeshauptstadt.

Auch. Politisch motivierte Kriminalität gegen Migranten oder ethnische Minderheiten sind ein wichtiges Beispiel dafür. Aber Hasskriminalität meint etwa auch Übergriffe gegen Lesben oder Schwule aus homophoben Motiven. Allgemein ist Diskriminierung die Motivation für so solche Straftaten.

Aber so etwas wird doch in schon Deutschland bestraft.

Ja, aber es fehlt der Fokus auf den Hass als Motivation von Straftaten. Hasskriminalität ist in Deutschland eine Unterkategorie von politisch motivierter Gewalt. Das bedeutet, dass die Polizei diese Taten oft als gewöhnliche Straftaten behandelt, wenn bei den vermeintlichen Tätern keine Verbindung zu rechtsextremen Kreisen und keine offensichtlichen ideologischen Motive nachgewiesen werden.

Was bedeutet das für die Opfer?

Das hat ganz persönliche Auswirkungen auf die Opfer. Sie fühlen sich dann oft nicht ernst genommen und sind nicht bereit, die Tat anzuzeigen, weil sie keine Aussicht auf eine richtige Aufklärung haben. Außerdem gibt es keine genügenden Statistiken zu diesem Problem, was bedeutet, dass keine adäquaten Strategien dagegen entwickelt werden können.

Muss sich also an der Gesetzeslage etwas ändern?

Unserer Meinung nach nicht. Es muss eine bessere polizeiliche Ausbildung geben, so dass in der Praxis der Fokus der Ermittler mehr auf der Motivation der Täter liegt. Außerdem kann Hass bereits jetzt schon als Motiv strafrechtlich relevant sein, die Gesetze müssen nur besser angewandt werden. Staatsanwälte und Richter berücksichtigen Hass allerdings nicht immer als Motivation bei der Strafbemessung von Fällen, in denen es um rassistische oder andere aus Hass begangene Gewalttaten geht, obwohl sie dazu befugt wären.

Wie genau würde eine bessere Ausbildung die Lage verbessern?

Wir fordern mehr Schulungen für Polizisten. Außerdem sollte es eine engere Kooperation zwischen Opferverbänden und der Polizei geben. Aber auch mit anderen Verbänden wie etwa denjenigen von Migranten oder Schülern sollte enger zusammengearbeitet werden. Wie empfehlen außerdem, dass auch in der Ausbildung die Kooperation mit Opferverbänden verstärkt wird, etwa indem diese die angehenden PolizistInnen unterrichten und ihnen Empfehlungen geben. Ein positives Beispiel ist da die Kooperation der Berliner Polizei mit Verbänden von Schwulen und Lesben.

Wie verhält sich die Polizei allgemein dazu? Gibt es eine Bereitschaft, etwas zu verändern?

Wir haben für unsere Studie Kontakt zu Behörden in sechs Bundesländern aufgenommen. In den ostdeutschen Ländern Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gab es insgesamt eine größere Offenheit. Zum einen haben die Landeskriminalämter dort kleinere Schwierigkeiten im Umgang mit Hasskriminalität eingeräumt. Außerdem bestand auch eine gewisse Offenheit, die Dinge zu verbessern. Im Westen hingegen gibt es viel weniger Opferverbände als im Osten, was das reale Ausmaß der Problematik möglicherweise verschleiert.

Woran liegt das?

Genau haben wir das nicht untersucht. Aber möglicherweise ist die mediale Aufmerksamkeit für den Osten, was das Thema Gewalt angeht, einfach größer und dadurch entsteht dort ein größerer Druck.

Welche Verbesserung erhoffen Sie sich durch ihre Forderungen? Gibt es dann weniger Straftaten?

Hoffentlich. Wenn die Polizei solche Taten ernster nimmt, dann hat das auch ein Abschreckungspotential. Ich gebe da mal ein Beispiel: Als Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft ein Hertha-Spiel besuchten, kam es im Anschluss zu Übergriffen gegen sie, und zwar weil sich auch ein Dunkelhäutiger unter ihnen befand. Die Polizei vertrieb die Angreifer, nahm aber den Fall nicht zu Protokoll.

Als der amerikanische Botschafter Anzeige erstatten wollte, stellte sich heraus, dass die Polizei diesen Fall nicht aktenkundig gemacht hatte, als ob es sich hierbei lediglich um eine Wirtshausrangelei gehandelt hätte. Nach unseren Untersuchungen ist das eine verbreitete Vorgehensweise der deutschen Sicherheitskräfte. Wenn die Täter gewusst hätten, dass die Polizei das ernster nimmt, dann hätten die das vielleicht nicht gemacht.

Ist die Situation in anderen europäischen Ländern besser?

Sie ist insofern besser, als dass dort Hasskriminalität als eigene Kategorie eines Straftatbestands besteht. In vielen Ländern der EU wird diese Kategorie ernster genommen. Da mögen historische Gründe eine Rolle spiele, aber wir haben das nicht genauer untersucht.

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