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Menschenrechtler über Afghanistan"Versöhnung, nicht Kapitulation"

Der afghanische Menschenrechtsaktivist Ahmad Nader Nadery verlangt eine transparente Strategie für Gespräche mit den Taliban. Eine Versöhnung dürfe aber nicht auf Kosten erkämpfter Freiheiten gehen.

Ahmad Nader Nadery: "Die Entwaffnung der Warlords und Kommandanten ist entscheidend". Bild: dpa
Interview von Thomas Ruttig

taz: Herr Nadery, sie haben Mitte März an einer Konferenz in Dubai teilgenommen, an deren Rand auch Gespräche mit den bewaffneten Regierungsgegnern stattgefunden haben sollen...

Bild: aihcr
Im Interview: 

Ahmad Nader Nadery ist Mitglied der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission.

Ahmad Nader Nadery: Ich weiss von keinerlei Treffen mit den Taliban oder anderen Gruppen. Auf der Konferenz wurden die Probleme Afghanistans diskutiert: seine Sicherheit, die Beziehungen mit Pakistan und anderen Nachbarn und, das war das wichtigste, Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Menschenrechte. Bisher wurde dieser Diskurs von internationalen Akteuren bestimmt, eine afghanische Stimme fehlte.

In der Abschlusserklärung ist aber auch von "Versöhnung mit den Taliban" die Rede. Wären Gespräche mit ihnen derzeit sinnvoll?

Versöhnung darf keinesfalls aufs Spiel setzen, was die Afghanen in den vergangenen sieben Jahren gewonnen haben, insbesondere was Frauenrechte und andere Freiheiten betrifft. Den Konflikt durch Versöhnung zu beenden ist eine gute Sache, aber nur wenn das von einer Position der Stärke aus und auf Basis einer transparenten Strategie im Rahmen der afghanischen Verfassung geschieht. Wenn es nur um Gewinn für Populisten oder eine Exitstrategie für die internationale Gemeinschaft geht, wird das nie Erfolg haben, Im Gegenteil: Das wäre Kapitulation vor terroristischen Gruppen.

Wie würden nach Ihrer Ansicht sinnvolle Versöhnung aussehen?

Wenn man sein eigenes Haus in Ordnung bringt. Dass heißt, die Regierung muss die ernsten Probleme der Korruption und schlechter Regierungsführung anpacken. Sie muss für Gerechtigkeit sorgen, und wenn schon nicht kurzfristig für die Gräueltaten der Vergangenheit, dann wenigstens für die, die derzeit geschehen. Sie muss Vertrauen und öffentliche Unterstützung gewinnen, die Optionen für die Regierung und die Taliban darlegen, die Parteien des Konflikts identifizieren, einschliesslich Pakistans und anderer internationaler Akteure. Es muss einen Prozess der Reintegration der ehemaligen Kämpfer geben und vor allem eine Koordination der verschiedenen Sicherheitskräfte, um zu verhindern, dass einem Kämpfer Versöhnung zugesichert wird, er dann aber verhaftet und womöglich an die US-Streitkräfte übergeben wird.

Die Konferenz wandte sich auch gegen Koalitionen mit den Warlords, die ja zur heutigen Instabiliät beitragen. Können die überhaupt noch entwaffnet werden, um halbwegs gleiche Chancen bei den bevorstehenden Wahlen zu schaffen?

Die Entwaffnung der Warlords und Kommandanten ist entscheidend, genauso wie zu verhindern, dass im Rahmen der Aufstandsbekämpfung Milizen wiederbewaffnet werden. Die Afghanen haben immer wieder auf die direkte Verbindung zwischen Gerechtigkeit, guter Regierungsführung und Sicherheit hingewiesen. Aber einige Wortführer in der internationalen Gemeinschaft haben uns arrogant erklärt, Gerechtigkeit sei Luxus und Waffen zu besitzen Teil unserer Kultur. Wir Afghanen aber haben niemals verstanden, was daran Kultur sein soll, wenn ein Kommandeur 50 Bewaffnete vor seinem Haus hat. Die Glaubwürdigkeit der Wahlen steht auf dem Spiel, wenn Kandidaten nicht auf Verbindungen zu illegalen bewaffneten Gruppen hin überprüft werden.

Sind die Warlords das einzige Hindernis für eine Demokratisierung in Afghanistan?

Nein, auch eine politische Elite, die korrupt und eigennützig ist und in den Bürgerkrieg verwickelt war. Wir Afghanen wollen eine demokratische Ordnung, haben es aber versäumt, die notwendigen Instrumente dafür zu entwickeln: funktionierende politische Parteien und eine lebendige Zivilgesellschaft, die sich für demokratische Werte einsetzen. Unsere internationalen Partnermüssen einen Teil der Schuld dafür übernehmen, denn sie haben die demokratischen Bewegungen nicht unterstützt.

Wie würde eine afghanische Demokratie aussehen?

Unsere Wünsche und Hoffnungen sind nicht so verschieden von denen von Menschen in anderen Teilen der Welt. Aber eine afghanische Demokratie würde von der ethnischen und sprachlichen Vielfalt des Landes koloriert. Toleranz und Gleichheit, unabhängig von Religion und Geschlecht, wären die Hauptelemente, politische Parteien und die Zivilgesellschaft ihre Säulen, Rechtstaatlichkeit, gute Regierungsführung, Menschenrechte und die afghanische Kultur ihr Werterahmen, repräsentative Regierung und eine klare Gewaltenteilung ihre dominierenden Konturen. In solch einem Rahmen würden Differenzen nicht mehr mit Waffengewalt, sondern durch Gespräche und politischen Wettbewerb gelöst.

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