Men in Black 3: Ins Weltall abgesaugt
Im dritten Teil von „Men in Black“ ist das Passwort „Janis Joplin“. Und auch sonst ist alles ziemlich retro. Oh, Zeitreisende, bitte verhindert die nächste Folge.
In Zeitreisefilmen wird den Passagieren meist allerhand zugemutet. Will Smith muss als Agent J im dritten Teil des „Men in Black“-Franchise aber überdurchschnittliche Widerstände überwinden, um den Transfermodus, der ihn in die Vergangenheit katapultieren soll, in Gang zu setzen. Um ins Jahr 1969 zu gelangen, ist ein Sprung vom Chrysler Building nötig. Kurz vor dem Asphaltkontakt läuft dann vor dem inneren Auge im Schnelldurchlauf die Erdgeschichte durchs Hirn.
Am historischen Zielort werden Afroamerikaner, die teure Autos fahren, sofort misstrauisch von der Polizei gestellt, Coney Island steht im Zenit und in Warhols angesagter Factory erhält Zutritt, wer am Eingang das Passwort „Janis Joplin“ fallen lässt. Warhol selbst (gespielt von „Saturday Night Live“-Star Bill Hader) ist hier ebenfalls ein Mitglied jener Agency, die ihre Mitarbeiter nur in schwarzen Anzügen auf die Straße lässt. Der Künstler selbst ist ziemlich genervt vom blasierten Auftritt, der zu seiner Tarnidentität gehört. Und jetzt kommt auch noch Yoko Ono, oh no.
„Men in Black 3“ glaubt nicht mehr an die Zukunft und flüchtet sich in die Retrokulisse. Wer sich für die ästhetische Evolution von 3D interessiert, wird in diesem Film wenig Hinweise auf verborgenes Potenzial entdecken. Es sind die üblichen Räumlichkeitseffekte, die das Tragen der unbequemen Brille, das immer leicht verschattete Bild rechtfertigen sollen.
Gleich zu Anfang marschieren Nicole Scherzingers extreme High Heels in die Tiefe des Raums, wippende Silikonbrüste und eine Gefängnisausbruchstorte stehen einem direkt vor der Nase. Unmittelbar im Anschluss wird der männliche Blick seiner gerechten Strafe zugeführt. Scherzinger lässt eine entsicherte Riesenkanone in den Zuschauerraum hineinragen, kulturwissenschaftlich gebildete Interpreten werden auf Inversion phallischer Grammatik erkennen. Der bei der Aktion befreite „Boris the Animal“ („Just call me Boris“) zeigt sich jedoch unbeeindruckt, seine Retterin wird ins Weltall abgesaugt.
Die Geschichte, die den historischen Umweg motiviert, ist schnell erzählt: In der Gegenwart läuft etwas derart schief, dass die Vergangenheit umgebaut werden muss, um eine bessere Zukunft hervorzubringen. Diese ist dann aber nicht ganz anders, sondern eben nur in dieser einen Hinsicht optimiert. Barry Sonnenfeld, der auch hier wieder Regie geführt hat, gibt sich sehr wenig Mühe, den Paradoxien der Zeitreise-Idee nachzugehen. Sein Film informiert aber immerhin über das bild- und soundtechnisch derzeit Mögliche einer Industrie, die ihr Risikokapital immer weniger bereitwillig in etwas investiert, das kein bleiernes Sequel ist.
Aber halt, „MIB 3“ ist auch ein Schauspielerfilm: Die mit der Parodie einer Hillary-Clinton-Frisur zugerüstete Emma Thompson hält eine bemerkenswert atonale Begräbnisrede. Josh Brolin fällt die Aufgabe zu, jenen schmalen Gestencode, den Tommy Lee Jones für die Figur des Agent K etabliert hat, zurückzuentwickeln.
So wie Robert de Niro im zweiten Teil der „Paten“-Trilogie Marlon Brandos Manierismen auf ihren Status nascendi gebracht hat: einfach von allem etwas weniger. Will Smith ist Will Smith und Tommy Lee Jones, der begreiflicherweise keine Lust hatte, sich mehr als zwei Arbeitstage für diese Fortsetzung Zeit zu nehmen, hält sein Knittergesicht maximal misslaunig in die Kamera. Am Ende wird Kuchen gegessen, und weil Agent K das Trinkgeld dann doch nicht vergisst, leben wir heute in der besten aller möglichen Welten und sehen einen mäßig inspirierten Blockbuster, der in der Vergangenheit offenbar nicht zu verhindern war.
"Men in Black 3". Regie: Barry Sonnenfeld. Mit Will Smith, Tommy Lee Jones, Emma Thompson u. a. USA 2012, 105 Min.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko