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Meldepflicht für Piercing-Schäden"Mediziner werden zu Spitzeln"

Ärzte sollen der Kasse melden, wenn Patienten mit Folgeschäden von Piercings oder Schönheits-OPs kommen. Ärztekammer-Chefin Wenker ist gegen die Meldepflicht

Lippen-Piercing: Wer bei Nebenwirkungen den Arzt fragt, muss die Behandlung selbst bezahlen. Bild: dpa

taz: Frau Wenker, die Ärzte sollen den Kassen melden, wenn sich ein Patient nach dem Piercen, Tätowieren oder einer Schönheitsoperation behandeln lassen muss. Müssen Patienten jetzt Angst haben, dass sie der eigene Hausarzt verpfeift?

Bild: ärztek.nieders.

Martina Wenker (49) ist Fachärztin für Innere Medizin und seit Januar 2006 Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen

MELDEPFLICHT

Am Mittwoch hat das Bundeskabinett beschlossen, dass Ärzte den Krankenkassen in Zukunft mitteilen müssen, wenn sie Patienten wegen selbst verschuldeter Komplikationen nach Schönheitsoperationen, Piercings und Tätowierungen behandeln. Die betroffenen Patienten müssten dann für die Folgekosten - oder zumindest einen Teil - selbst aufkommen. Diese Kostenregelung war bereits mit der Gesundheitsreform Anfang des Jahres beschlossen worden. In der Praxis war das Vorhaben aber gescheitert, weil sich die meisten Mediziner bislang weigerten, ihre Patienten bei den Krankenkassen anzuschwärzen.

Martina Wenker: Das ist genau das Problem. Deswegen laufen wir Sturm gegen diesen Gesetzentwurf. Das ist ein Dammbruch in der ärztlichen Schweigepflicht, der für uns absolut inakzeptabel ist.

Werden Sie sich weigern, den Kassen die Daten zu übermitteln?

Es gibt ein verfassungsrechtlich geschütztes Patientengeheimnis. Die Menschen haben ein Recht darauf, dass geheim bleibt, was in der Arztpraxis besprochen wird. Es kann doch nicht angehen, dass wir zu Spitzeln der Krankenkassen gemacht werden.

Das Gesundheitsministerium schätzt die Folgekosten, die allein durch verpfuschte Schönheitsoperationen entstehen, auf 50 Millionen Euro im Jahr. Warum soll die Allgemeinheit das bezahlen?

Da sind wir einer Meinung. Das ist eine Frage der Eigenverantwortung. Natürlich ist es ein Irrsinn, wenn Patienten ins Ausland fahren, sich billig eine Schönheitsoperation machen lassen, die misslingt. Und dann kommen sie nach Deutschland zurück und lassen sich auf Kosten der Gemeinschaft die Folgeschäden beheben.

Wer sollte sonst überprüfen, ob eine Verletzung oder Krankheit selbst verschuldet ist, wenn nicht die Ärzte?

Wenn ein Patient nach einer misslungenen Schönheitsoperation oder einem verhunzten Piercing zum Arzt kommt, dann soll dieser ihn behandeln und ihm eine Rechnung ausstellen. Mit der Rechnung kann der Patient dann zu seiner Krankenkasse gehen und verhandeln, ob das nun ein selbst verschuldeter Folgeschaden ist oder nicht.

Dann müssten die Patienten in diesen Fällen also selbst um die Abrechnung kümmern.

Die Patienten lassen sich ja auch freiwillig piercen oder den Busen vergrößern und bezahlen das auch selbst. Wenn solche Eingriffe misslingen, muss man eben für die Folgekosten aufkommen.

Viele Menschen sorgen sich, dass die Meldepflicht irgendwann ausgeweitet wird. Werden bald auch Raucher oder Fettleibige bei den Kassen angeschwärzt?

Das darf nicht sein. Das wäre ein grundsätzlich anderes Verständnis von Krankheit und Selbstverschuldung. Wenn Sie übergewichtig sind und zuckerkrank werden: Ist das selbst verschuldet? Oder bekommt nur noch der Diabetiker ohne Übergewicht sein Insulin bezahlt? Irgendwann müssen die Ärzte jeden Patienten melden, der einen erhöhten Leberwert hat, weil er ja vielleicht Alkohol getrunken hat.

INTERVIEW: WOLF SCHMIDT

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