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Mein Zahnarzt hat sich vom Acker gemacht. Ich hätte gerne, dass er zurückkommtRaus aus Hamburg

Foto: privat

AM RAND

Klaus Irler

Also nichts wie raus aus Hamburg / first we take Manhatten und dann ab nach Berlin / da wo die Leute aus Heimweh hinzieh’n.

An diese Zeilen der Hamburger Band Blumfeld musste ich denken, als ich kürzlich die Praxis meines Zahnarztes verließ. Es ist nämlich so: Mein Zahnarzt haut ab. Ich wollte einen Termin für die zweite Jahreshälfte vereinbaren und da sagte die Sprechstundenhilfe: „Wir machen keine Termine mehr für Herrn L. Herr L. macht ab Februar eine Weltreise und er möchte offen lassen, ob er zurückkommt oder nicht. Rufen Sie im Sommer nochmal an.“

Dass sich Herr L. vom Acker macht, hat mich überrascht. L. ist ungefähr Mitte 30 und auf dem besten Weg, weiter Karriere zu machen, aber das scheint ihn nicht zu halten. Er sieht gut aus, ist sympathisch und Kindern gegenüber aufgeschlossen, aber offenbar gibt es niemanden, der ihn hier hält.

Vor drei Jahren unterzog mich Herr L. einer fiesen Wurzelbehandlung, Backenzahn oben hinten, und beim Ausschaben des Wurzelkanals brach ihm die Spitze von seinem Werkzeug ab. Seitdem steckt ein kleines Stück Metall in meinem Wurzelkanal. L. erzählte mir sofort davon und sagte: „Kein Sorge, da passiert nichts. Sie können auch am Flughafen durch die Kontrolle gehen, ohne dass es piepst.“ Dass es Herrn L. in die Ferne zieht, hätte ich damals schon merken können.

Herr L. ist nicht der Typ, der auf Reisen geht, um Party zu machen oder wilde Tiere zu besichtigen. Ich glaube, Herr L. geht auf Reisen, weil er Heimweh hat. Irgendetwas passt nicht und dem will er sich stellen, indem er noch einmal alles infrage stellt. Ein respektables Vorhaben, wie ich finde, das unter durchstartenden Akademikern eher unüblich ist.

Auch unüblich, aber gar nicht respektabel ist die Auszeit, die sich gerade der Chef der AfD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft nimmt. Der Mann heißt Jörn Kruse, ist 67 und hat sich für drei Monate nach Stanford bei San Francisco verabschiedet, wo seine Frau eine Gastprofessur angenommen hat. Seine Diäten in Höhe von 8.000 Euro pro Monat kassiert Kruse weiter. Der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Bernd Baumann sieht kein Problem: „Die Arbeit leidet nicht. Wir sind täglich in Kontakt.“

Vorstellen muss man sich das also als ein exterritoriales Home-Office im 24-Stunden-Modus: Wenn Baumann um 11 Uhr vormittags das Bedürfnis hat, Kruse zu sprechen, klingelt dessen Telefon in Stanford um zwei Uhr nachts. Will dagegen Kruse nach dem Aufstehen um 10 Uhr seinen Kommentar zur Flüchtlingspolitik los werden, erreicht er Baumann um 19 Uhr abends. Aber ein Problem mit der Zusammenarbeit, sagt Baumann, gebe es nicht.

Natürlich ist es schön, dass die AfD ihren Job so locker nimmt und nicht mehr Schaden anrichtet, als ein paar Diäten einzustreichen. Noch schöner wäre es, wenn Herr Kruse in Kalifornien bliebe, weil sich gar kein Heimweh einstellt. Was ich meinem Zahnarzt wiederum nicht wünsche. Ich hätte gerne, dass er zurückkommt. Berlin kann er sich sparen, Hamburg geht auch.

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