Mehrzweckwampe : Nicht schwanger
Meine Freundin Franzi hat ein Problem: Sie ist nicht schwanger. Es ist nicht etwa so, dass sie sich ein Kind wünscht und das nicht ginge. Im Moment will sie gar keins und wüsste eigentlich auch nicht, wer cool genug wäre, ihr eins zu machen. Es ist nur so, dass sie zu Hause in Prenzlauer Berg auf der Straße superschief angeguckt wird, weil sie weder einen Kugelbauch noch ein schreiendes Krabbeltier mit sich rumträgt, dabei geht sie eiskalt auf die Dreißig zu. Dazu kommt auch noch, dass Franzi von Natur aus die Schlankheit in Person ist. Nur oben auf dem Kopf, da trägt sie einen wilden Lockenpuschel, aber der ist auch nicht so groß, dass sie da ein Baby drunter versteckt haben könnte.
Bei mir ist das anders. Ich bin zwar auch nicht schwanger, aber ich habe in jahrelanger Aufbauarbeit ein Multifunktionstool entwickelt, mit dem ich mich auch im Kreise werdender Mütter und sabbernder Schnullerbacken wohl fühlen kann. Es handelt sich um eine kleine, aber nicht zu verleugnende Mehrzweckwampe, die je nach Bedarf als Bauch im vierten Monat gelten kann – und noch viel mehr. Wenn ich im Prenzlauer Berg auf die Tram warte, streichel ich meine Wampe zärtlich und wechsle mit anderen Frauen vielsagende Blicke. Wenn ich beim Späti ne Flasche Jägermeister kaufe, sagt meine Wampe den davor hockenden Männern: Wir sitzen alle im selben Boot. Wenn ich irgendwo zum Essen eingeladen bin und es mir nicht schmeckt, kann ich jederzeit sagen: Uff, das schaff ich nicht mehr, guck mal, ich hab schon soo viel gegessen. Dabei klopfe ich leicht auf meine Wampe, als sei sie eben erst entstanden. Im gewöhnlichen Alltag fungiert meine Wampe dagegen als politisches Kampfinstrument, denn sie schleudert all den magersüchtigen Modeopfern und Sportsüchtigen ein beherztes „Fuck you“ entgegen. Aber so schöne Locken wie Franzi, die hätt ich auch gern.
MARGARETE STOKOWSKI