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Mehr als 2000 Behandlungsfehler belegtÄrztekammer fordert Weiterbildungen

Laut einer Statistik der Ärztekammer ist die Behandlung von Knochenbrüchen am meisten von Kunstfehlern betroffen. Weiterbildungsangebote sind nötig.

Passiert leider nicht nur im Film: Ärztliche Behandlungsfehler. Die Folgen sind oft tragisch. Bild: dpa

BERLIN taz Ärztliche Kunstfehler gibt es immer wieder: Die Blinddarmentzündung, die vom Hausarzt nicht erkannt wird, das gebrochene Handgelenk, das der Orthopäde falsch schient, oder im schlimmsten Fall die Betäubung vor der Operation, aus der der Patient nicht mehr erwacht. Trotz aller Kampagnen zur Sicherheit in der Medizin haben Gutachter im vergangenen Jahr bei 2.095 Patienten Fehler der behandelnden Ärzte festgestellt. In 1.717 dieser Fälle führten die Fehler zu teils dauerhaften Schäden und Anspruch auf Schadenersatz. Das berichtete die Bundesärztekammer am Dienstag in Berlin.

Verbraucherschützer gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Insgesamt gingen nach einer Schätzung rund 40.000 Patienten gegen ihre Ärzte wegen Verdachts auf Fehler vor.

Die meisten festgestellten Fehler gab es bei der Behandlung von Knochenbrüchen (mehr als 311), von Hüft- und Kniegelenksverschleiß (110) und von Brustkrebs (41).

"Das sind keine entscheidenden Veränderungen gegenüber dem Vorjahr", sagte Johann Neu, Geschäftsführer der Schlichtungsstelle der norddeutschen Ärztekammern. Erfreulich sei aber, dass insgesamt mehr Patienten Anträge eingereicht hätten. Dies stelle das Vertrauen in die Tätigkeit der bewertenden Gremien unter Beweis.

Leichte Unterschiede gab es zwischen Praxen und Kliniken. Während die Beschwerden, die sich gegen niedergelassene Ärzte wandten, zu 30 Prozent bestätigt wurden, waren es bei denen gegen Klinikärzte 26 Prozent.

Dass die falsche Behandlung für die Patienten häufig gravierende Folgen hat, zeigen Zahlen aus dem Bereich der norddeutschen Schlichtungsstelle für das Fachgebiet Anästhesie. Im Zeitraum 2001 bis 2004 waren 19 von 44 Todesfällen auf die ärztliche Behandlung zurückzuführen. Etwa 40 Prozent der Fälle einer Fehlbehandlung führten zu Dauerschäden.

Die bundesweite Statistik der Ärztekammern, die zum zweiten Mal in Folge auch nach Fachgebieten und Krankheiten aufgeschlüsselt ist, soll außerdem helfen, Fehlerhäufungen zu erkennen und gezielte Weiterbildungsangebote für Ärzte aufzulegen. "Es geht uns darum, eine Fehlerkultur in Deutschland einzuführen", sagte Walter Schaffartzik, Vorsitzender der norddeutschen Schlichtungsstelle. Auch deshalb würden die Schlichtungsgremien der Ärztekammern kostenlos jedem Vorwurf eines Patienten nachgehen.

Schnelle Erfolge in allen Bereichen werde es aber wohl nicht geben, räumte Schaffartzik ein: "Das ist ein weiter, langer und sehr, sehr schwieriger Weg." Doch der lohne sich: Früher oft beanstandete Nervenschäden durch Injektionen gebe es beispielsweise heute nicht mehr.

CHRISTIAN SALEWSKI

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1 Kommentar

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  • DA
    Dr. Angela Tucek

    Wieso kam denn die Bayerische Ärztekammer (BLAEK) damit durch, KEINE Schlichtungsverfahren mehr durchzuführen? M.E. sollten Medien mehr Druck machen, dass aufgeklärt wird. Mir ist z.b. eine Körperverletzung an einem anderen Körperteil als der, an dem ich operiert wurde, zugefügt worden und der Staatsanwalt hat seit einem Jahr keine Zeit, die Sache zu bearbeiten. Noch deutlicher als dass aufs Ableben gewartet wird (bei Kevin war es wohl auch nicht besser), muss man es doch nicht machen