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Mehr Infektionen, weniger AufklärungAidshilfe kommt zu kurz

Obwohl die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Berlin steigt, werden die Gelder für Aufklärung und Betreuung der Infizierten stetig gekürzt. Dabei bräuchte man heute viel mehr Präventionsarbeit, kritisiert die AIDS-Hilfe.

Die Zahlen steigen, doch das Bewusstsein lässt nach - auch weil die Gelder für Aufklärung gekürzt werden: Aids verschwindet aus dem öffentlichen Leben. Bild: AP

In Sachen HIV nimmt Berlin eine traurige Spitzenposition ein: Seit 2001 hat sich die Anzahl der Neuinfektionen mehr als verdoppelt und ist heute dreimal höher als im bundesweiten Durchschnitt. Trotzdem wurden im gleichen Zeitraum die Mittel des Landes für Präventionsarbeit um 20 Prozent gekürzt. Dabei sei Aufklärung zur Vorbeugung heute nötiger denn je, kritisiert die Berliner Aidshilfe, die am heutigen Montag ihr 25-jähriges Bestehen mit einer Benefizgala begeht.

Mehr als 10.000 Menschen mit HIV oder Aids leben in Berlin. Allein im vergangenen Jahr haben sich 440 BerlinerInnen nach Angaben des Robert-Koch-Instituts mit HIV infiziert. Mehr als 70 Prozent von ihnen sind homosexuelle Männer. Zum Ausbruch kam die Krankheit 2009 bei 334 Menschen, 75 Aids-Kranke starben an den Folgen der noch immer unheilbaren Immunschwäche.

Das sind zwar beunruhigende Zahlen, aber die Horrorszenarien von der tödlichen Seuche, die Medien weltweit in den Achtzigern prophezeiten, haben sich nicht bewahrheitet. Seit Anfang der 1990er sind die medizinischen Fortschritte in der Behandlung enorm. Seit 1996 gilt Aids nicht mehr als schnell tödliche, sondern als chronische Krankheit.

Damit sei HIV aber auch wieder aus dem Bewusstsein der Menschen gerückt, sagt Rainer Schilling, Mitglied im Vorstand der Berliner Aidshilfe. Die Angst vor einer Ansteckung ist weniger präsent als in den Zeiten, in denen neben großen Rockstars auch vielen BerlinerInnen die Freunde wegstarben. Und so steigt die Anzahl der diagnostizierten Neuinfektionen seit Beginn der Nuller Jahre wieder an. Im gleichen Zeitraum wurden jedoch die Gelder der Senatsverwaltung für die Aids-Hilfe und andere Initiativen von 2,6 Millionen Euro auf knapp 2,1 Millionen Euro in diesem Jahr gekürzt. Der Senat begründet das damit, dass dafür inzwischen andere Leistungsträger wie etwa die Pflegeversicherung mit herangezogen werden könnten.

"Mit den gegebenen Mitteln können wir keine angemessene Arbeit machen", sagt dagegen Rolf de Witt, Geschäftsführer der jüngst für ihre Präventionsarbeit ausgezeichneten Initiative Mancheck. "Wir kriegen zwar gesagt, dass wir gute Arbeit machen, aber die Unterstützung fehlt." Mit drei halben und einer 70-Prozent-Stelle versucht Mancheck an den Orten präsent zu sein, die sich an Männer richten, die Sex mit Männern haben. "Dafür bräuchten wir mindestens sechs volle Stellen", sagt de Witt. Auch weil Broschüren allein heute nicht mehr ausreichten, um die Nachtschwärmer für das Thema HIV zu sensibilisieren.

"Wir brauchen innovative und kreative Präventionsarbeit", sagt auch Schilling von der Aidshilfe, "die sich sowohl an schwule Männer, als auch an Jugendliche in Schulen und Menschen mit Migrationshintergrund richtet". Außerdem sei heute mehr psychosoziale Betreuung der HIV-Infizierten und Aidskranken nötig. Denn die Erfolge in der medizinischen Behandlung änderten nichts daran, dass die Immunschwäche die Krankheit bleibe, die am meisten mit Ausgrenzung verbunden sei.

"HIV und Aids sind ein Sonderfall unter den sexuell übertragbaren Krankheiten und immer mit Tabuisierung und Stigmatisierung verbunden", sagt Schilling. Unbewusst würden viele "dem schwulen Mann" Mitschuld an einer Infektion zusprechen. Deshalb würden Betroffene auch weiterhin früher sterben, weil sie sich nicht trauten, zum Arzt zu gehen. "Ein Drittel der HIV-Infizierten kommt mit Vollbild in die Klinik", sagt Schilling. Und wer offen mit der Krankheit umgeht, würde häufig noch immer Arbeitsplatz, Partner und Freunde verlieren. "Früher sind die Erkrankten rasch gestorben, jetzt müssen sie sich mit der Ausgrenzung auseinandersetzen." Depressionen und andere psychische Erkrankungen seien nicht selten die Folge.

Dass es neue Anforderungen an die Präventionsarbeit gibt, hat auch die Gesundheitsverwaltung erkannt und im Oktober ein Rahmenkonzept zur HIV- und Aids-Prävention vorgestellt. Darin sind als Leitziele formuliert: Mehr Aufklärungsarbeit zur Verhinderung von Neuinfektionen vor allem in den Risikogruppen, die Förderung gesellschaftlicher Akzeptanz und die Stärkung des Bereiches Arbeit für Infizierte. Mehr Geld für all dies ist im Rahmenkonzept allerdings nicht vorgesehen. Stattdessen sollen die Mittel "zielgerichteter verwendet werden". Wie genau das aussehen soll, will die zuständige Senatorin Katrin Lompscher (Linke) Anfang Dezember vorstellen.

Seit 1985 kämpfen die Berliner Aidshilfe und andere Initiativen dafür, dass Aids und HIV ihren Schrecken verlieren. "Aber die Wucht der Krankheit ist immer noch da", sagt Schilling. Deshalb sei die Benefizgala "Künstler gegen Aids" auch kein Grund zu feiern. Sondern einer, um Gesellschaft und Politik zu mahnen: für mehr Prävention, mehr Toleranz und mehr Unterstützung für die Betroffenen.

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4 Kommentare

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  • S
    Shlomo

    Was hat Mancheck erreicht? Berlin ist die Hochburg der HIV-Infektionen! Berlin ist die Hochburg von Gewalt gegen Schwule in Deutschland! Eine düstere Bilanz. Aber Mancheck organisiert Reisen von Israelis nach Deutschland - um sich zu feiern. Sorry - gerade Mancheck sollte man dichtmachen und was Neues entwickeln.

  • H
    Holkan

    Vielleicht sollten sie nicht so viel Geld für dümmliche Anzeigen ("Ich weiß, was ich tu!") ausgeben. Ist der Erfolg dieser peinlichen Anzeigenserie jemals von jem. Neutralem untersucht worden? Auch die Effektivität von Prävention vor Ort wage ich anzuzweifeln. Die Mehrheit der Barbesucher ist doch eher genervt von diesen aufdringlichen Kampagnen. Hiv und AIDS sind Themen für die Schule, und zwar die volle Schreckens- und Horrordröhnung, aber das ist den Verantwortlichen viel zu heiß, bzw. viel zu anstrengend und unbequem.

  • P
    Paul

    Tja,das kommt davon wenn man die am meisten betroffene Gruppe dieser Krankheit politisch korrekt ausblendet.Ich kenne tatsächlich keine Aufklärungskampange oder einen der unzähligen Aufklärungsspots die sich an Schwule gerichtet hätte.Ganz im Gegenteil ich wurde von Seiten der Aufklärer immer daruf hingewiesen was ich doch für ein intoleranter Mensch ich doch sein,wenn ich Praktiken wie "Barebacking",die in der Schwulenszene weit verbreitet sind kritisiert habe.Die meisten HIV-Infizierten sind Schwule gefolgt von Junkies,aber genau da anzusetzen,und dazu gehört in erster Linie erst einmal auch die Benennung von Fakten,fehlt den Verantwortlichen von der Aidshilfe und Co. der Mut.Nicht der Staat ist an einer Infektion schuld,sondern nur der,der sich nicht schützt.Es wurde mehr als genug Aufklärungsarbeit geleistet,seit 25 Jahren gibt es flächendeckende "Werbung" für den Gebrauch von Kondomen,in den Schulen wird genauso lange Aufklärungsarbeit betrieben.Was wollt ihr den noch?

    Jeder der nicht vergewaltigt wird,ist heute an einer Infektion selber schuld.So einfach ist das. Ach ja,der gebrauch von Kondomen wird nicht nur vom den Katholiken samt Papst abgelehnt und verteufelt,die selbe Haltung wird auch von dem Islam vertreten.Bei den Neuinfektionen unter heterosexuellen jungendlichen sind männlische muslimische Jugendliche die Hauptursache in der Verbreitung,und auch diejenigen bei denen keinerlei Aufklärungsarbeit Früchte trägt.Aber auch das fällt,sogar im größeren Maße der politischen Korrektheit zum Opfer.Man hat noch nie ein Problem lösen können,wenn man die Ausgangssituation verschweigt und leugnet.

  • TD
    Tyler Durden

    Die Übertragungswege für das HIV sind seit Jahrezehnten vollständig bekannt. Welche Ausreden sind denn zur Zeit am populärsten bei denjeniogen, die sich beim GV mit diesem Virus infizieren...???