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Mehr Geld für ÖkoenergieParadoxes Erfolgsmodell

Weil Deutschland Wind- und Sonnenstrom auf Rekordniveau produziert, könnte deren Anteil an der Stromrechnung steigen. Das Umweltministerum hält das für spekulativ.

Allein die heimischen Photovoltaikanlagen erzeugten im ersten Quartal des laufenden Jahres 40 Prozent mehr Strom als im Vorjahr. Bild: dpa

BERLIN taz | Ab kommendem Jahr kommen wahrscheinlich höhere Stromkosten auf die Bundesbürger zu. Grund könnte eine höhere Umlage für die Produktion von erneuerbaren Energien sein. „Dass die EEG-Umlage 2013 auf 4 Cent steigt, halte ich für durchaus möglich. Die Schwelle von 5 Cent wird dann wahrscheinlich zwischen 2015 und 2017 überschritten“, sagte Matthias Reichmuth vom Leipziger Institut für Energie der taz.

Er leitet die Projektgruppe, aufgrund deren Berechnungen die Bundesnetzagentur im vergangenen Jahr festlegte, wie viel jeder Stromkunde für die Förderung erneuerbarer Energien zahlen muss. Diese sogenannte EEG-Umlage wird automatisch mit der Stromrechnung gezahlt; momentan beträgt sie 3,59 Cent pro Kilowattstunde, was circa 15 Prozent der Stromkosten entspricht.

Zugleich wird die Umlage oft als Gradmesser für die Kosten der Energiewende herangezogen – steigt sie, gibt es traditionell aufgeregte Debatten. Das Handelsblatt zitierte am Mittwoch anonyme Quellen aus dem Umfeld der Übertragungsnetzbetreiber, die die EEG-Umlage einsammeln. Dort gehe man davon aus, die Umlage könne bereits im kommenden Jahr auf 4,8 Cent bis 5,2 Cent pro Kilowattstunde steigen.

Noch im vergangenen Herbst waren die vier Übertragungsnetzbetreiber von 3,66 bis 4,74 Cent pro Kilowattstunde ausgegangen. Einer davon, 50Hertz, sprach laut Handelsblatt von „erheblichem Druck“ auf die Umlage. Auf taz-Anfrage wollte sich keiner der Übertragungsnetzbetreiber zu dem Bericht äußern.

Offizielle Zahlen kommen im Herbst

Auch das Bundesumweltministerium wollte die Angaben nicht kommentieren. „Die Zahlenwerte, die jetzt diskutiert werden, sind reine Spekulation, an der sich das BMU nicht beteiligt“, sagte ein Sprecher und verwies auf die offiziellen Zahlen, die erst im Herbst veröffentlicht werden.

Verwunderlich ist das nicht – es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, dass die Kosten für die Förderung der erneuerbaren Energien nicht weiter ansteigen. Eine Debatte zur Unzeit soll offenbar vermieden werden. Reichmuth ist von der absehbaren Preisentwicklung nicht überrascht. Der Ausbau der Fotovoltaik ist in seinen Prognosen enthalten, auch die guten Wetterverhältnisse. Die Kosten hängen neben dem Zubau von regenerativen Kraftwerken vor allem vom Wetter und dem Strompreis ab.

Industrie wurde 2010 um 1,17 Millarden enlastet

Weil in diesem Jahr Sonnen- und Windverhältnisse sehr gut sind, wird auch mehr grüner Strom produziert - allein die heimischen Fotovoltaikanlagen erzeugten im ersten Quartal 2012 40 Prozent mehr Strom als im Vorjahr. Das Paradoxe: Erzeugen die Anlagen mehr Ökostrom, sinkt wegen des höheren Angebots der Strompreis an der Börse.

Die Agentur für Erneuerbare Energie beziffert diesen Merit-Order-Effekt auf 0,5 Cent pro Kilowattstunde - wodurch die Industrie im Jahr 2010 um 1,17 Milliarden Euro entlastet worden sei. Gleichzeitig erlösen Sonne und Wind dadurch weniger und müssen höher gefördert werden. Je erfolgreicher erneuerbare Energien also sind, desto teurer scheinen sie zu werden - und immer mehr Unternehmen lassen sich von ihrer Förderung befreien.

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7 Kommentare

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  • HS
    Hari Seldon

    @Sir Kiebitz:

     

    Bitte, meinen Sie, dass "sinnvolle Energieerzeugung" das Abkassieren der "dummen Schweinen" (Ihr Wortlaut) wäre? Aus meiner Sicht wäre eine sinnvolle Energieerzeugung OHNE EEG und ähnliche Abkassieren. Diejenige, die Ökostrom wollen, bitteschön: Dieser Klientel sollte Ökostrom dann erhalten, wenn Ökostrom verfügbar wäre, und für die Herstellkosten+Margin. Dann wäre die "Begeisterung" etwas zurückhaltender. Warum sollte die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung für die Steckenpferd/Hobby/Pseudoreligion/usw. von einoigen die Rechnung bezahlen? Punkt. Die Pseudogläubiger sollten die Rechnung für die Pseudoreligion bezahlen, und nicht die Nicht-Gläubiger. Wir wollen die Rechnung für den Extraprofit von sehr wenigen NICHT MEHR bezahlen, und wollen keine Arbeitsplätze in China, usw. finanzieren. Oder die Grünen und Gleigesinnten sollten die Rechnung aus der EIGENEN TASCHE bezahlen. Verstanden?

  • KR
    Karl Rohn

    Das ist nicht paradox sondern logisch. Photovoltaik z.B. hat in Norddeutschland bei optimaler Installation einen Wirkungsgrad von 10% (ca. 900kwh/KWPeak bei Südausrichtung (Azimut ~ 0°) und optimalem Höhenwinkel der Kollektoren). Bei Vollsonne über Deutschland mittags um 12Uhr werden dann z.Z. ca. 25 GW von dem z.Z. teuersten Strom (PV-Strom, ca. 30-50ct./KWH je nach Installationsjahrbis Dez11). Konventioneller Strom, der ja bereitstehen muss für sonnenfreie Zeiten, die nicht durch Wind-Wasser-Bioenergie ausgeglichen werden können, muss dann z.T. unter Preis abgegeben werden , d.h. senkt die Rentabilität (Ökostrom wird übrigens immer voll nach EEG bezahlt, selbst wenn die Anlagen z.B. wegen Netzüberlastung abgeschaltet werden, wird der nicht gelieferte Strom berechnet). Das hat dazu geführt, dass z.Z. kein Gaskraftwerk mehr gebaut wird und auch das Interesse an Pumpkraftwerken wegen fehlender Rentabilität schwindet, weil insbesondere der lukrative teure Tagesstron häufiger durch PV-Strom geliefert wird . Mittelfistig wird man solche Kraftwerke für Bereitstellung in die EEG aufnehmen müssen, sonst werden sie nicht mehr gebaut. Die EEG Zulage muss also aus verschiedenen Gründen weiter steigen.

  • W
    Waage

    Das war abzusehen.

     

    Das Problem ist, dass der EE-Strom an den Börsen, sobald er in nennenswertem Umfang anliegt, sich die eigenen Marktpreise drückt.

    Ist im Artikel gut beschrieben.

    Die EE "kannibalisieren" sich sozusagen selber wie Philippe Welter sagen würde.

     

    Diese Problem ist unbedingt ernstzunehmen, sonst kommen wir in eine gefährlich Schieflage.

     

    Drei Maßnahmen müssen daher mit absolutem Nachdruck verfolgt werden:

     

    1)regionale Speichersysteme aufbauen, am Besten an den Umspannwerkern und den Eigenverbrauch mit Pufferspeichern fördern.

    2)einen Kapazitätsmarkt für Regelstrom einführen.

    3)weitere EEG Ausnahmen für die Industrie verhindern und erst kürzlich gewährte Ausnahmen wieder einschränken, da die Industrie wie im Artikel ja schon beschrieben eh von gedrückten Börsenstrompreisen profitiert.

     

    Es geht, wie bei den EE von jeher gewohnt, um sein oder nicht sein - also: gepennt werden kann später noch!

  • SK
    Sir Kiebitz

    Macht nur weiter so, Herrschaften.

     

    Jahrelang der Atomindustrie den Steuer-Zucker vorne und hinten reingeblasen.

     

    Und anstatt die Gewinne der konventionellen Energieerzeugung abzuschöpfen (Verstaatlichung) und in sinnvolle Energieerzeugung (dezentral, alternativ, wirtschaftlich, umweltfreundlich) und Forschung zu investieren, wird nun einer anderen Industrie das Geld in den Arsch geschoben, das eigentlich in Schulen und Infrastruktur gesteckt werden sollte.

     

    Am Ende zahlt immer noch das dumme Schwein auf der Straße, dass alles mit sich machen lässt.

     

    Biogasanlagen, Maismonokulturen, Essen im Tank, versaute Landschaften durch Windkraftwerke, wertvolle Ackerflächen durch Solarmeere verbaut ...

     

    Und das ganze wird legitimiert, weil man auf einmal durch Fukushima mitbekommt, wie gefährlich die Kernkraft wirklich ist ... soso, schau an, die können ja explodieren und ganze Landstriche verstrahlen.

     

    Wenn nichtmal Physikerinnen das vorher wussten, na dann.

     

    Wer glaubt, dass die Energiewende so geht, glaubt auch an den scheiß Osterhasen.

     

    wütende Grüße

     

    Sir Kiebitz

  • RH
    Rainer Hoffmann

    Auch die Journalisten der TAZ scheinen bis heute nicht verstanden zu haben, daß das EEG-Volumen bis 2020 aufgrund mathematischer Gesetzmässigkeiten zwangsläufig nur steigen kann, und niemals fallen kann. Erst wenn die ersten Anlagen aus dem Jahr 2001 aus dem 20-jährigen-Förderzeitraum rausfallen, kann es EEG-Volumen mathematisch sinken, vorher nicht. Bis dahin steigt (!) mit jeder neu-installierten Photovoltaik- und Windenergieanlage das EEG-Fördervolumen.

     

    Dieses mathematische Prinzip wird auch auf folgender Webseite deutlich gemacht: http://solarresearch.org/sk2010/videoaudio/videosolar/766-089.html

     

    Haben Sie verstanden, wie ZDF-"Umweltjournalist" die TV-Zuschauer über da Prinzip des EEG getäuscht hat ?

  • K
    Kuhbauer

    "Das Paradoxe: Erzeugen die Anlagen mehr Ökostrom, sinkt wegen des höheren Angebots der Strompreis an der Börse."

     

    Was ist denn daran paradox? Der Preis ergibt sich nun mal aus Angebot und Nachfrage. (Quelle: Gemeinschaftskunde 8. Klasse)

     

    Es wurde ja nun oft genug darauf hingewiesen, dass die Leistungsschwankungen ein großes Problem der erneuerbaren Energien darstellen, da der Strom, wenn er entsteht, oft nicht wirklich benötigt wird. Dass dadurch der Preis sinkt, ist nicht paradox, sondern entspricht dem tatsächlichen Wert des Stroms zur jeweiligen Zeit und auch dem Nutzen für die Gesellschaft. (Da wir nicht wissen, ob nächstes Jahr wieder so viel Sonne scheint, müssen entsprechende Kapazitäten vorgehalten werden, etc. etc.)

  • H
    Hanssss

    Die Energiewende wird uns noch viel mehr Geld kosten. Abgesehen von der EEG-Umlage werden vor allem die Netzkosten steigen und die Kosten der unrentablen, weil nicht ausgelasteten Gas-, Kohle- und Kernkraftwerke wird ein übriges dazu tun um den Strom zu verteuern.

     

    Paradox ist an diesem "Erfolgsmodell" eigentlich nur, dass manche Leute immer noch glauben, dass "die Sonne keine Rechnung schickt".