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Mehr ErstsemesterStudieren fast um jeden Preis

So viele Erstsemester wie 2009 gab es noch nie. Doch die Grünen kritisieren, dass noch viel mehr studieren würden, wenn es mehr Studienplätze gäbe.

Ein paar leere Plätze in der Bibliothek können nicht über den Ansturm in den Unis hinwegtäuschen. Bild: dpa

Das junge Studienjahr beginnt gut. Zwei Monate nach Beginn zeichnet sich ab, dass sich erneut mehr Menschen als im Vorjahr für ein Studium eingeschrieben haben. Mit 335.500 Erstsemestlern erreicht die Zahl der Studienanfänger seit 2003 einen neuen Höchststand, wie das Statistische Bundesamt am Montag bekanntgab.

Im Vergleich zum Vorjahr haben die Hochschulen in diesem Wintersemester 7 Prozent mehr Erstsemester aufgenommen. Das Amt beruft sich dabei auf Meldungen der Hochschulen wie auf eigene Schätzungen. Die ganz genaue Zahl der Erstsemester mit Angaben zu Studienfach und -alter wird erst im August 2009 erscheinen. Dann wird auch ersichtlich, welchen Anteil Studienanfänger aus dem Ausland an der gestiegenen Zahl der Einschreibungen haben.

Den vorläufigen Zahlen zufolge haben in diesem Jahr 39 Prozent eines Jahrgangs, die per Abitur oder Fachhochschulreife ein Ticket für höhere Bildung haben, dieses auch eingelöst. Damit ist die 40-Prozent-Marke, die die Ministerpräsidenten der Länder beim Bildungsgipfel im Oktober als politisches Ziel ausgegeben haben, schon fast erreicht.

Und dafür mussten die Bildungspolitiker kaum etwas tun. "Die Zahl der Studienanfänger würde selbst steigen, wenn die Studierneigung gleich bliebe", meint Christoph Heine vom Hochschulinformationssystem (HIS). Die Ursache für diesen Automatismus sei ein demografisches Zwischenhoch und die gestiegene Bildungsbeteiligung. Die Zahl derjenigen, die das Abitur oder die Fachhochschulreife erwerben, ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Im Vergleich zu 2003 haben in diesem Jahr 20 Prozent mehr Schulabgänger eine Hochschulzugangsberechtigung erreicht. Heine sieht deshalb auch überhaupt keinen Widerspruch zu den Ergebnissen einer kürzlich veröffentlichten Studie des HIS. Danach schrecken Studiengebühren bis zu 4 Prozent der potenziellen Erstsemester ab, vor allem solche, die aus ärmeren Familien kommen.

Zudem machen sich die doppelten Abiturjahrgänge bemerkbar. Die ersten Schüler, die das Abitur nach acht Jahren ablegen, verlassen in den kommenden Jahren zusammen mit den 13. Klassen die Schulen und bewerben sich gleichzeitig um Studienplätze. In Ländern wie Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland, die das sogenannte G8 als Erste einführten, sind die Anfängerzahlen denn auch schon in diesem Jahr besonders stark gestiegen.

"Die Zahl der Studienanfänger könnte noch viel höher sein, wenn die Hürden niedriger lägen", meint der hochschulpolitische Sprecher der Grünen, Kai Gehring. Er fordert, dass die Länder jetzt zügig ihr Studienplatzangebot ausbauen. Bisher lägen sie deutlich hinter ihren Selbstverplichtungen zurück.

Im Rahmen des sogenannten Hochschulpaktes haben sich Bund und Länder verpflichtet, bis 2010 rund 90.000 zusätzlichen Studienplätze zu schaffen und zu finanzieren. Den Anstieg hatten die Kultusminister bereits vorausgesehen und für 2008 optimistisch schon über 400.000 Studienanfänger vorausgesagt. Der eigentliche Ansturm von Bewerbern wird zum Jahr 2012 erwartet.

Wie viele Studienanfänger ihr Studium dann tatsächlich als Akademiker abschließen, wagen die Kultusminister nicht vorherzusagen. Nach Untersuchungen des HIS verlässt jeder fünfte Studierende die Uni ohne Abschluss. In einigen Fachrichtungen wie Maschinenbau bricht sogar ein Drittel der Studierenden das Studium ab.

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1 Kommentar

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  • S
    Sebastian

    Berichtet auch jemand über die daraus entstehenden Studienbedingungen. Es würden nicht nur viel mehr junge (und ältere) Leute studieren, es müssen auch die Bedingungen dazu stimmen. Es kann nicht sein, dass die (sowieso schon) überfüllten Hörsäle noch voller gestopft werden und das von den Landesregierungen als Erfolg im Hochschulpakt gefeiert wird. Überhaupt muss man festhalten, dass sich einzig die SPD regierten Länder an den Hochschulpakt halten. Die selbsternannten Elite Länder im Süden der Republik machen ihre Unis dicht, sodass die Last auf die SPD Länder fällt. Die Folgen sieht man an den Studentenprotesten die größtenteils in Rheinland-Pfalz (Trier, Koblenz) vor sich gehen. Aber diese Berichterstattung wird bei uns schön klein gehalten.