■ Medienschau: Çiller vergrault Parteigenossen
Betrachtet man die Berichterstattung zumindest einiger Medien über Frau Çiller, so drängt sich der Verdacht auf, daß sich ihre politische Karriere wohl in naher Zukunft dem Ende neigt. Fatih Altayli von der nationalliberalen Tageszeitung Hürriyet (Frankfurt) äußerte sich folgendermaßen: „Der weibliche Diktator befahl, ihn aus der Partei zu entfernen. Die Untergebenen gehorchten demutsvoll und sprachen Euer Befehl in Gottes Ohr, Euer Ehrwürden. Auf Betreiben Tansu Çillers sucht die Partei des Rechten Weges nach Möglichkeiten, Yalim Erez aus der Partei auszuschließen. [...] Einen nach dem anderen ihrer ehemaligen Mitstreiter hat das Weib schon vergrault, und die Zeichen verdichten sich, daß nun die Reihe an Yalim Erez gekommen zu sein scheint. Dieser Yalim Erez, einer ihrer treuesten Protagonisten, hatte sie einst durch seine tatkräftige Unterstützung in das Amt der Ministerpräsidentin katapultiert. Der weitere Ablauf scheint klar. Nachdem sie sich aller Parteigenossen entledigt haben wird, bleibt sie alleine übrig und kann dann offiziell der Refah-Partei beitreten. Die Gleichgültigkeit Çillers kennt keine Grenzen, ob DYP, ob Kommunistische Partei oder PKK. Sie wird dort zu finden sein, wo sie sich die größten Vorteile verspricht, und dies war bisher die Nähe zum Portemonnaie des türkischen Volkes. Sie weiß, wie man sich an anderen bereichert und wie man ohne Probleme sein Vermögen vervielfacht. Wenn Sie sich erinnern, hatte ich schon vor der letzten Wahl eine Koalition zwischen ihrer und der Refah-Partei kurz nach dem Wahltermin prognostiziert. Es dauerte zwar ein paar Monate länger, hier aber die nächste Prognose: Wenn es die Umstände erfordern sollten, wird sie selbst nicht vor einer Zusammenarbeit mit der PKK zurückschrecken. Die nahe Zukunft wird uns die Antwort nicht schuldig bleiben, dann, wenn sie Abdullah Öcalan aufsuchen wird. Jedoch wird es eher eine Flucht ins Hauptquartier der PKK nach Syrien werden, da sie kein Land aufnehmen will.“ Hürriyet, 16.5.1997)
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