Mediaspree im Ausschuss: Tauziehen um die Flussufer
Ruhig und überraschend erfolgreich arbeitet der Sonderausschuss Mediaspree vor sich hin. Nur die Senatorin Ingeborg Junge-Reyer schießt quer, wo es geht - wie beim Gelände rund um die "Maria".
Im Sonderausschuss zu Mediaspree werden am heutigen Mittwoch die stadtentwicklungspolitischen Sprecher von Linke und SPD auf Landesebene erwartet. Die Aussagen von Thomas Flierl und Ellen Haußdörfer dürften mit Spannung verfolgt werden: Macht nämlich Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ihre Drohung wahr und zieht die Planung auf dem Grundstück des "Maria"-Clubs an sich, kommt die Diskussion ins Abgeordnetenhaus - und die Parteien müssen sich positionieren. PEZ
Es sind die immergleichen Sätze. Seit dem Bürgerentscheid zur Zukunft von Mediaspree wiederholt Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ihre ablehnende Haltung zum Bürgervotum, unbewegt das Gesicht, abgehackt die Worte. "Ich habe Respekt vor dem Ergebnis solcher Abstimmungen", sagte die Senatorin jüngst erneut im Abgeordnetenhaus. "Aber eine unmittelbare Wirkung gibt es auch in diesem Fall nicht." Und damit der für die Planung zuständige Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ja nicht auf dumme Gedanken kommt, fügte sie die mantraartig geäußerte Drohung hinzu, dass der Senat auf jeden Fall Investoreninteressen wahren wolle und werde.
Junge-Reyer ist der Fels in der Mediaspree-Diskussion: Unbeugsam, ungeliebt - und letztlich am längsten Hebel sitzend. Als Senatorin kann sie jederzeit dem Bezirk die Planungshoheit entziehen, mit Verweis auf die gesamtstädtische Bedeutung des Gebiets - wie sie es im aktuellen Streitfall um die Zukunft des Grundstücks androht, auf dem derzeit der Club "Maria" liegt.
Mit der Forderung nach einem 50 Meter breiten Uferstreifen, nach einem autofreien, zusätzlichen Steg zwischen Schilling- und Oberbaumbrücke und einem Nein zu weiteren Hochhäusern sammelte die Bürgerinitiative "Mediaspree versenken" im Frühjahr 2008 tausende Stimmen. Sie machte damit den Weg frei für den Bürgerentscheid im Juli über das attraktive Spreegebiet zwischen Jannowitz- und Elsenbrücke. Brisant war, dass sich die Aktivisten gegen einen Bezirk wandten und siegten, der von den Grünen regiert wird - der klassischen Bürgerbeteiligungspartei.
Kleinteilige Lösungen
Unmittelbar danach gingen die Poltereien von Senatorin Junge-Reyer los, erste Drohungen erreichten den Bezirk, doch ja die Investoreninteressen zu wahren. Die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg nahmen dagegen den Bürgerwillen an. Ein Sonderausschuss wurde eingerichtet; er tagt seit Herbst und versucht für jedes Grundstück Kompromisse auszuloten und kleinteilige Veränderungen im Sinne des Entscheids zu erreichen.
Äußerlich hat sich seitdem wenig verändert in Mediaspree. Das "Yaam" gegenüber vom Ostbahnhof hat zu dieser Jahreszeit ohnehin geschlossen, verlassen liegt es da, trostlos. Auf dem Gelände der "Maria" sammelt ein Mann Unrat von der Brache. An der East Side Gallery fotografiert sich eine Handvoll asiatisch aussehender Touristen gegenseitig, sonst ist an der Mauer wenig los. Weiter südlich, jenseits der Oberbaumbrücke, stehen ein paar Kräne am Spreeufer. Neben MTV und Universal klaffen die gleichen Baulücken wie voriges Jahr.
Am südöstlichen Ende von Mediaspree, auf dem Grundstück an der Elsenbrücke gegenüber den Treptowers, ruht einer der ungeklärten Streitfälle. Auf dem Gelände der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft (Behala) war ein Hochhaus geplant. Schon vor dem Bürgerentscheid hatte Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) aber erklärt, dass das Gebäude nicht gebaut werden solle. Das Bebauungsplanverfahren ist seit dem Bürgerentscheid gestoppt.
Im Behala-Aufsichtsrat sitzt die Staatssekretärin von Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke). Wolf ist Aufsichtsratsvorsitzender der Berliner Stadtreinigung (BSR). Beiden landeseigenen Unternehmen gehören Flächen im Mediaspree-Gebiet. Der Senator vertrat bisher eher die Linie "Nichts gegen Kompromisse, solange sie nichts kosten", und auch bei den Hochhaus-Plänen hatte sich die Behala kompromissbereit gezeigt - bis Junge-Reyer auf das ursprüngliche Vorhaben pochte und die Behala auf Linie brachte. Mit ihrer unbeugsamen Haltung steht sie gegen ihren Senatskollegen. Ein Machtkampf? Offiziell wird das vehement dementiert, hinter vorgehaltener Hand heißt es, das sei denkbar.
Ein weiterer Grund für Junge-Reyers Starrsinn könnte sein, dass ihr der grüne Bezirk ein Dorn im Auge ist. So jedenfalls verlautet es aus dem Umfeld des Bezirksamts. Immerhin ist Friedrichshain-Kreuzberg einer der wenigen Bezirke, in denen eine der roten Parteien nichts zu sagen hat. Bezirksbürgermeister Schulz sagt lapidar zu den ständigen Stänkereien von der Senatorin: "Das ist Teil des politischen Geschäfts." Junge-Reyer müsse immerhin angerechnet werden, das sie ihrer Linie von Anfang an treu geblieben sei.
Schulz versucht den Druck auf den Sonderausschuss abzufedern. Überhaupt ist die Atmosphäre in dem Gremium, das alle zwei Wochen an wechselnden Orten tagt, seit dem Ende der überbordenden medialen Aufmerksamkeit ruhiger geworden. Die Bürgerinitiative "Mediaspree versenken" arbeitet nach den Worten von Schulz sachlich mit. Dass der streitbare Deputierte Henrik Haffki Anfang des Jahres zurücktrat, tat ihr Übriges.
Haffki hatte den Aktivisten vorgeworfen, zu sehr auf Verhandlungen zu setzen anstatt konfrontativ Aktionen von Bewohnern und Initiativen zu unterstützen. Der "Mediaspree versenken"-Vorsitzende Carsten Joost betont hingegen stets, keine Alternative zum Verhandlungsweg zu sehen. Der demonstrationsfreudige Teil der Gruppe, die im Sommer noch gern bei Schlauchboot- und Besetzungskampagnen mitmischten, kümmert sich inzwischen lieber um den Protest gegen den Ausbau der Autobahn 100.
Auf der Gegenseite ist es ebenfalls still geworden. Dem Lobbyistenverband "mediaspree e. V." gingen die Fördermittel aus, er ist aufgelöst. Investoren werden zu den Sitzungen eingeladen, wenn es um ihre Grundstücke geht. So ist dem Bezirk mit kleinteiligen Verhandlungen beim "Yaam" ein Kompromiss gelungen: Der spanische Eigentümer will das Erdgeschoss vom Ufer zurücknehmen und erst die oberen Stockwerke weiter nach vorn bauen, so dass ein breiterer Freiraum zur Spree hin bleibt. Baubeginn sollte Ende Juni sein, das Bezirksamt verhandelt allerdings über eine Verschiebung, um dem "Yaam" somit erst einmal das Überleben am Standort zu sichern. "Es sieht gut aus", sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende in Friedrichshain-Kreuzberg, Antje Kapek. Darüber hinaus suche der Bezirk nach einem dauerhaften Alternativplatz für das "Yaam". Auch die "Bar 25" kann Luft holen; nach einem Gerichtsurteil vom Herbst darf sie erst einmal bleiben. Hier allerdings pochen die Bezirksgrünen auf die Bürgerentscheidsforderung "Spreeufer für alle". Auf Dauer müsse die Bevölkerung auch an den bislang abgeschlossenen Strandbars ans Ufer können, sagt Kapek. Sie verweist darauf, dass es auf dem "Bar 25"-Gelände außerdem erheblichen Sanierungsbedarf gebe, und der Boden sei kontaminiert.
Der Anschütz-Gruppe konnten rund um die O2-Arena ebenfalls Zugeständnisse entlockt werden; sie beteiligt sich finanziell auch an Freiflächen in der unmittelbaren Umgebung. Und für das Dämmisol-Gelände gegenüber der "Maria" gibt es einen vielversprechenden Vorschlag, der Freiraum und einen Zugang von der Köpenicker Straße aus vorsieht. Schulz hat erste Verhandlungen mit dem Grundstückseigentümer Behala geführt.
Bezirk soll selbst zahlen
Aufs Neue brüskieren dürfte Senatorin Junge-Reyer den Bezirk bei den Plänen für die Brommy-Brücke. Gerüchten zufolge will sie den Bezirk für einen Steg zahlen lassen, anstatt die Mittel aus dem Programm Stadtumbau West bereitzustellen. Die Brücke soll entgegen früheren Planungen autofrei werden. Sie kostet etwa 2,5 Millionen Euro.
Auch die Auseinandersetzung um die "Maria" spitzt sich zu. Dort sieht das vom Senat vorgegebene Planwerk Innenstadt eine komplette Bebauung vor. Die Grünen im Bezirk haben dagegen bereits vor dem Bürgerentscheid erklärt, lieber eine Grünfläche zu wollen. Schulz nahm Verhandlungen mit dem Liegenschaftsfonds auf. "Wir hatten schon den Eindruck, dass der Liegenschaftsfonds auf uns zukommen wollte", sagt dazu Kapek. Ein Investor habe zudem einen akzeptablen Bebauungsvorschlag vorgelegt. Vor etwa zwei Wochen schickte der Liegenschaftsfonds Kapek zufolge ein neues Angebot, das einen 20 Meter breiten Uferstreifen vorsah.
Bevor der Bezirk reagieren konnte, hatte Junge-Reyer einen Drohbrief an Schulz geschrieben: Schwenkt er nicht ein, zieht sie das Verfahren für das Grundstück an der Schillingbrücke an sich. "Ich bin mir sicher, dass im Bezirk die Vernunft Einzug halten wird", legte sie süffisant in der letzten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses nach. Zur Begründung führte sie die immergleichen Allgemeinplätze an: das Interesse der Stadt und die Verlässlichkeit für Investoren. Dass selbst von letzterer Seite brauchbare Kompromissvorschläge kommen, scheint die Senatorin nicht mitbekommen zu haben. Der Liegenschaftsfonds wartet ab, wie sich die politische Lage entwickelt. Die Grünen wollen sich nicht einschüchtern lassen. "Es ist klar, dass wir auf die Forderungen der Senatsverwaltung nicht eingehen werden", sagt Kapek.
Am Mittwoch nun sind die stadtentwicklungspolitischen Sprecher von Links- und SPD-Fraktion, Thomas Flierl und Ellen Haußdörfer, in den Sonderausschuss geladen. Das dürfte spannend werden. Denn zieht Junge-Reyer das Verfahren auf dem Grundstück an sich, wird es im Abgeordnetenhaus verhandelt. Dann wird sich zeigen, welchen Rückhalt die Senatorin mit ihrem Kurs auf Landesebene hat.
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