■ MediaBazaar: Leo Kirch am Ball
Die Intendanten von ARD und ZDF haben mit Leo Kirch die Plätze getauscht: Sie sitzen vom Jahr 2002 an bei der Fußball-Weltmeisterschaft in der zweiten Reihe hinter dem Münchner Medienunternehmer. Kirch und die Schweizer Sportrechteagentur ISL gewannen im Poker um die Vergabe der Fernsehrechte der WMs bis ins Jahr 2006. Sie erhielten vom Weltfußballverband (FIFA) am Mittwoch für insgesamt 3,4 Milliarden Mark den Zuschlag. Die Europäische Rundfunkunion (EBU), in der die öffentlich- rechtlichen Sender zusammengeschlossen sind, hatte 600 Millionen Mark weniger geboten.
Damit werden die Spiele künftig – zumindest wenn man sie live und in ganzer Länge sehen möchte – hierzulande nur noch im Privatfernsehen zu empfangen sein. Möglicherweise werden einzelne Spiele nur im digitalen Abonnenten- Fernsehen (Pay-TV) übertragen. DF 1, Kirchs Digital-TV, soll am 28. Juli starten.
Fernsehzar Kirch kann die Fußballspiele nun – bis auf die Übertragungsrechte in den USA, die noch gesondert verkauft werden – weltweit vermarkten. Ob er allerdings dadurch den Kaufpreis wieder hereinspielt, zweifeln Branchenkenner an: Nur in wenigen Ländern sind mit der Ausstrahlung der Spiele so hohe Werbeeinnahmen zu erzielen wie beispielsweise in Deutschland. Volker Gustedt, Pressesprecher des Bayerischen Rundfunks, schätzt sie auf etwa 50 Millionen Mark pro Weltmeisterschaft. Er vermutet, daß Kirch sein Kaufangebot mit der Perspektive verbunden hat, möglichst vielen Zuschauern auf diese Weise ein Decodergerät aufzuzwingen und die Pay-TV-Programme damit aufzuwerten.
Bei der FIFA war man zudem über die Verhandlungsführung der EBU noch vom letzten Mal verärgert. Damals vor neun Jahren zog EBU-Präsident und ARD-Intendant Albert Scharf die alten Herren Samaranch und Havelange regelrecht über den Tisch – er kaufte drei Fußballweltmeisterschaften für „nur“ 400 Millionen Mark. Das war vor allem für die kleinen Mitgliedsländer enttäuschend, die kaum davon profitierten. Sie stimmten denn auch diesmal fast geschlossen für Leo Kirch, während die europäischen FIFA-Staaten mehrheitlich die EBU favorisierten – Kabel und Satellit sind noch nicht überall flächendeckend vorhanden.
Die Entscheidung der FIFA fiel denkbar knapp aus: mit nur einer Stimme Mehrheit. So machte sich das Fehlen des deutschen FIFA-Vertreters, des baden-württembergischen Finanzministers und DFB-Vizepräsidenten Gerhard Mayer- Vorfelder (CDU) besonders bemerkbar. Er war zu Hause geblieben, weil er, wie sein Ministerium gestern der taz mitteilte, „wichtige Besprechungen mit den Ministern zur Haushaltslage“ abhalten mußte. Dies sei der FIFA auch bekannt gewesen. Zeit hatte Mayer-Vorfelder gestern allerdings gefunden, um den neuen CDU-Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters von Stuttgart auf einer Pressekonferenz vorzustellen.
Wie Mayer-Vorfelder abgestimmt hätte, ließ er offen. Doch ist, seit er als Verhandlungsführer des DFB die Live-Berichte der Bundesliga an das Privatfernsehen verkaufte, seine Position bekannt. Kritik der FernsehzuschauerInnen hatte es allerdings gehagelt, als in dieser Saison erstmals ein internationales Spiel (FC Bayern München gegen Barcelona) von premiere ausgestrahlt worden war.
Beim DFB wird bereits darüber nachgedacht, die Vermarktung der Bundesliga- Spiele vom Jahr 2000 an in die eigene Hand zu nehmen und dafür eigens eine Produktionsfirma zu gründen. Philipp Maußhardt
Siehe Kommentar Seite 10
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