■ McCash Flows Orakel: Kursstürze durch Computer
„Computerprogramme führten zu Kurssturz“, „Index–Knaks durch Computerprogramme“, Computergesteurte Programme bewirken Abwärtstrend“ ... so, oder so ähnlich lauten seit einiger Zeit die Erklärungen, wenn der Dow–Jones–Index wieder einmal einen kräftigen Ruck nach unten hinnehmen muß. Für Außenstehende nicht ohne weiteres nachvollziehbar: wie kann ein Computer den noch eher altorientalisch, mit Geschrei Gestikulieren und Fingersprache funktionierenden Marktplatz Börse durcheinanderbringen? Angebot und Nachfrage von Aktien richten sich doch nach den Gewinnaussichten der betreffenden Unternehmen und die kann ein Computer zwar in die Zukunft hochrechnen, aber das kann, sofern die Daten vorhanden sind, der gesunde Menschenverstand auch - wie also kommts zu diesen maschinellen Kursbeeinflussungen? Aktien werden nicht nur auf ihre fundamentalen Indikatoren (Bilanz, Gewinn etc.) hin beobachtet, sondern auch auf ihre technische Verfassung, d.h auf ihren Kursverlauf im Vergleich mit dem Kursverlauf anderer Aktien und des Gesamt–Index. Die Chart– Theorie, die aus dem bisherigen Verlauf eine Kurskurve ihre zukünftige Tendenz berechnet, hat sich (vor allem in USA) zu einem hochkomplizierten Berechnungsschema entwickelt und wird deshalb gerne dem Computer überlassen. Der berechnet dann z.B. anhand der Kurven und Wellen der IBM–Aktie in den letzten zehn Jahren die weitere Tendenz des Kurses, gibt Auskunft, ob sich der Kurs im Aufwärts– odr im „Abwärtskanal befindet, wo „Widerstandszonen“ liegen und - vor allem - „negative Unterstützungslinien“. Letzteres sind die Punkte, unter die der Kurs aller Wahrscheinlichkeit nach nicht fallen wird, da er bei ähnlichen Wellen–Formationen in der Vergangenheit „Widerstand“ gezeigt hat. „Untertassenformation“, „Doppel– Untertasse“, „Kopf–Schulter–Formation“ heißen die fürs bloße Auge kaum erkennbaren Bilder, die aus den Kurven gelesen und denen grundsätzliche Aussagekraft zugesprochen wird. Fällt nun eine Aktie unter die charttheoretisch berechnete Negativ– Linie, wird sie vom Computer automatisch zum Verkauf gegeben, geschieht dies aufgrund schwacher Börse bei mehreren Papieren gleichzeitig, ist der Index–Knacks da. Auch bei durchbrochenen Widerstandszonen im positiven Bereich, wenn also eine Aktie bisher nie erreichte Höhepunkte überschreitet, greifen die Chart– Computer ein und geben Order zum Kauf. Von diesem Automatismus ist allerdings selten die Rede, das nennt man dann „Stimmung“ oder „Hausse“. Automatismen könnten nur die gute Stimmung verderben. Und die ist das allerbeste Klima für kletternde Kurse - wenn sie dann mal fallen, braucht niemand in fundamentalen Pessimismus geraten - man hat ja den Kumpel Computer, dem mans in die Schuhe schieben kann ...
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