McCain-Berater Robert Kagan zur US-Wahl: "John McCain ist kein zweiter Bush"
Die Zeit des Unilateralismus ist vorbei, meint Robert Kagan, neokonservativer Vordenker und Berater von John McCain. Egal wer Präsident wird, USA und Europa werden sich wieder annähern.
taz: Mister Kagan, Sie sind einer der außenpolitischen Experten des McCain-Teams. Ist Obama der einfachere Gegner?
Robert Kagan: Oh nein, er hat eine hervorragende Wahlkampagne geführt. Er kam aus dem Nichts und Hillary Clinton galt beinahe als fixe Kandidatin. Er hat sie trotzdem geschlagen. Das war schon eine große Leistung.
Aber auf wen haben die Republikaner gehofft? Auf Hillary oder auf Obama?
Die Frage ist eher, hat die Kampagne bestimmte Schwächen von Obama gezeigt? Er wird einige Schwierigkeiten haben, etwa die Anhängerinnen von Hillary Clinton auf seine Seite zu ziehen.
Warum sollten die Amerikaner einen alten Mann, der für "weiter so" steht, wählen, wenn es einen brillanten jungen Mann gibt, der den "Change" verspricht?
Niemand glaubt doch, dass McCain für "weiter so" steht. Obama behauptet das, aber keiner glaubt es. Wäre es anders, würde McCain nicht 20 Prozent besser dastehen als seine Partei. Jeder weiß, dass McCain während seiner ganzen Karriere eine sehr unabhängige Stimme war. Auch in vielen Fragen, die die Welt bewegen - Klimawandel, Folter, Guantánamo. McCain ist kein zweiter Bush.
Und nur deshalb hat McCain eine Chance? Nicht gerade schmeichelhaft für den scheidenden Präsidenten.
Die Zustimmungsraten für Bush sind kein Geheimnis. Dass er zu jenen Präsidenten zählt, die mit der geringsten Wertschätzung aus dem Amt scheiden, ist keine Neuigkeit.
Gerecht oder ungerecht?
Alle solche Momentaufnahmen sind falsch und damit ungerecht. Es hängt davon ab, wie es im Irak ausgeht. Und immerhin hat Bush es geschafft, dass das Land nach dem 11. September von terroristischen Anschlägen verschont blieb. Al-Qaida ist ziemlich angeschlagen. Wer hätte das denn gedacht? Der kommende Präsident kann froh sein, wenn er das Land so sicher halten kann.
Ihr neues Buch hat die kommende Rivalität der großen Mächte zum Thema. Prophezeien Sie einen neuen Kalten Krieg?
Nein, denn der Kalte Krieg war von Bipolarität und dem ideologischen Konflikt zwischen Kommunismus und Demokratie geprägt. Was jetzt wieder kommt, erinnert an das, was wir aus dem 19. Jahrhundert kennen. Konkurrenz großer Mächte, traditionelle Geopolitik. Wir sehen das in Russland und China: diesen Stolz auf die nationale Stärke. Und auch die alten Formen des Autokratischen kehren zurück. Putin ist ja nicht wie Stalin, eher wie der Zar.
Ist die liberale Demokratie nicht trotzdem eine sehr attraktive Gesellschaftsform?Der Trend zu mehr Freiheit, mehr Liberalisierung ist ja auch nicht wirklich abgebrochen.
Oh, als Demokrat bin ich fest davon überzeugt, dass Demokratie eine überlegene Form der Regierung ist. Aber wir leben in der wirklichen Welt, und da müssen wir Dinge zur Kenntnis nehmen, die wir so eigentlich nicht erwartet haben: so etwa ein immer wohlhabenderes China, das sich politisch keineswegs öffnet.
Es ist viel freier als vor zwanzig Jahren, und innerhalb der Partei haben sie mittlerweile einen Pluralismus, der von ultraliberal bis sozialdemokratisch reicht.
Im Politbüro der KPdSU hatten sie auch Moderate und Orthodoxe. Das macht noch keine Demokratie aus. Aber klar, die Menschen haben viel mehr Freiheit als vor zwanzig Jahren oder in den dunklen Zeiten der Kulturrevolution. Das ist ja eben das Kennzeichen traditioneller Autokratien. Sie sagen den Bürgern: Ihr könnt euer Leben führen, wie ihr wollt, solange ihr eure Nase nicht in die Politik steckt. Wenn ihr das tut, dann wird euch die Nase abgeschnitten.
Sind China und Russland gefährlich?
Es kann kein Zweifel daran bestehen: Das heutige Russland ist weit aggressiver und nationalistischer als das Russland vor zehn Jahren. Es macht Druck auf Georgien und die Ukraine. Russland will seine traditionelle Einflusszone wieder zurück.
Für diesen Wandel gibt es doch einen einfachen Grund: Öl. Vor zehn Jahren war Russland pleite, dank des hohen Ölpreises ist es reich.
Putin nutzt das Öl, um Russland als Großmacht zurückzubringen. Er könnte den Reichtum auch nutzen, um sein Land in Richtung liberaler Westen zu führen, wie das sein Vorgänger Boris Jelzin versucht hat.
Ist Putin gefährlich?
Wenn Sie in Polen, Georgien oder in den baltischen Staaten leben, dann ist Putin gefährlich. Wenn Sie ein Oppositioneller in Russland sind, dann wären Sie ohnehin im Gefängnis.
Sollte sich Europa auf militärische Konfrontation einstellen?
Wenn Europa einig ist und mit den USA Seite an Seite steht, hat Russland keine Chance. Man sah das in der Kosovo-Frage. Russland musste die Dinge am Ende akzeptieren.
Sie und Ihre neokonservativen Freunde haben für eine ideologische Außenpolitik getrommelt, bei der die Guten die Bösen bekämpfen. Jetzt reden Sie von der Rivalität der großen Mächte. Klingt nach dem alten Realisten Henry Kissinger.
Ich habe mich immer als Realist gesehen, nie als neokonservativ. Man hat mich in dieses Eck gesteckt. Aber es stimmt: Kissinger hat die Rückkehr der Rivalität großer Mächte deutlich vorausgesehen.
Sie wurden auch berühmt für Ihr Bonmot, Europa sei von der Venus, Amerika vom Mars. Also hier der naive europäische Pazifismus, dort die militärisch starken USA. Wenn wir uns jetzt das Desaster im Irak ansehen, wären die USA nicht besser gefahren, wenn sie auch von der Venus wären?
Ach, ich hab doch nicht geurteilt, was richtig und was falsch ist. Ich habe beschrieben, warum Amerikaner im Allgemeinen die Welt anders sehen als die Europäer.
Sie erwarten nicht, dass ich Ihnen das abnehme.
Ich bin ein Amerikaner. Also sehe ich die Welt durch amerikanische Augen. Und ich glaube, dass militärische Macht wichtig ist. Deshalb glaube ich aber noch lange nicht, dass Diplomatie und Verhandlungen nicht auch wichtig sind.
Was und wie man es beschreibt, ist aber nie neutral. Jetzt betonen Sie die Konfrontation großer Mächte. Vielleicht gibt's aber doch Kooperation?
Konfrontation ist nicht die einzige Story. Schon im 19. Jahrhundert gab es Rivalität, aber auch Kooperation.
Die wird man auch brauchen. Denn die meisten Probleme kann man nur gemeinsam angehen: Klimawandel, Ölmangel oder Nahrungsmittelkrise.
Es gab immer Sehnsucht nach Kooperation. Aber Sie haben Recht: Wir müssen multilateral agieren. Ich sage Ihnen das auch als Berater von John McCain: Wir brauchen Kooperation, nicht Unilateralismus.
Europa und die USA werden sich viel näher sein in einem Jahr, egal wer Präsident wird?
Ganz, ganz sicher.
Hand aufs Herz: Angesichts der ökonomischen Situation - hat ein Kandidat wie Senator McCain wirklich eine Chance?
Üblicherweise gibt man dem Kandidaten der bisher regierenden Seite die Schuld an der wirtschaftlichen Misere. Das ist ein kleiner Vorteil für die Demokraten. Aber kein großer: McCain wird nicht für die Situation verantwortlich gemacht. Er ist sehr unabhängig und wird auch so wahrgenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!