piwik no script img

Maulkorb für tschechische JournalistenKein Graus für Klaus

Eine tschechische Gesetzesnovelle erschwert die Arbeit investigativer Journalisten. Ihnen drohen hohe Strafen.

Kein Veto gegen den Maulkorb: der tschechische Präsident Václav Klaus. Bild: dpa

PRAG taz Das tschechische Parlament hat eine Novelle des Strafgesetzes dazu genutzt, allzu frechen Journalisten einen Maulkorb aufzusetzen: Fünf Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe von bis zu fünf Millionen Kronen (170.000 Euro) drohen für die Veröffentlichung geheimer Abhörprotokolle oder die unberechtigte Nennung persönlicher Daten.

Der Appell von tschechischen Medien und internationalen Organisationen, ein Veto gegen den Gesetzesvorschlag einzulegen, ist bei Staatsoberhaupt Václav Klaus, dem ansonsten staatlicher Eingriff ein Graus ist, auf taube Ohren gestoßen. Hier gehe es um den Schutz von Persönlichkeitsrechten Unschuldiger.

Zugegeben: Das Verbot, Namen von Verbrechensopfern oder Präsidentengeliebten zu veröffentlichen, bedeutet nicht das Ende der Pressefreiheit. Gefährlicher ist die Kriminalisierung investigativer Recherche, die oft auf polizeilichen Abhörprotokollen basiert. "Das sind Informationen, die unmoralische Aktivitäten wie zielgerichtetes Lobbying oder Einflussnahme in der wirtschaftlichen Sphäre aufzeigen", erklärt Robert Casensky, Chefredakteur der Tageszeitung MF Dnes. Sein Vize Viliam Buchert bringt es auf den Punkt: "Das Gesetz dient dazu, Politiker vor Journalisten zu schützen."

Der Gesetzesvorschlag kam kurz nachdem tschechische Medien auf die Verknüpfung von Politik und Verbrechen hingewiesen hatten. In den 90ern waren viele heutige Politiker an der Neuverteilung des CSSR-Eigentums beteiligt. Innenminister Ivan "Icko" Langer zum Beispiel betrieb im Jahr 2000 Lobbyarbeit für einen Unternehmer aus dem Dunstkreis des ermordeten Unterweltpapstes Frantisek Mrázek. Bekannt sind auch die Verstrickungen des Abgeordneten Vlastimil "Tecko" Tlusty mit Mrázek. Davon erfuhr die Polizei beim Abhören von Mrázeks Telefon - und der Leser später aus der MF Dnes.

Zwei Fälle, die nur die Spitze des Eisbergs sein könnten. Der Journalistenverband erwägt eine Klage beim Verfassungsgericht. "Wir werden einen Weg finden, auch weiterhin auf ernstes Fehlverhalten der Volksvertreter aufmerksam zu machen", meint Journalist Buchert. Dabei wolle man natürlich nicht das Gesetz brechen, sondern Wege finden, es zu umgehen: "Wir werden keinen Konflikt, der es wert ist, scheuen."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!