besuch aus israel
: Mauergemurmel

In Israel ist Amira Hass, 52, seit langem ein umstrittener Star. Die Journalistin von Ha’aretz lebt seit über 15 Jahren in den besetzten Gebieten und schreibt von dort aus gegen die israelische Besatzung an. Amiras Anwesenheit war somit auch am Mittwoch auf dem ersten Israelisch-Palästinensischem Filmfestival im Kino Babylon Mitte etwas Besonderes.

Es wurde gelesen aus einem Stück, das auf der Grundlage von Gesprächen entstanden ist, die Hass mit dem palästinensischen politischen Gefangenen Mahmoud Al-Safadi führte. Geschrieben wurde die Tragikomödie „MurMure“, ein französisches Wortspiel zwischen Murmeln und Mauer, von den französischen Theaterkünstlern Gaël Chaillat und Ariel Cypel. So ganz hat es Hass wohl nicht gefallen: „Viel zu wenig von der Besatzung mit im Stück, und die einzige Person, die israelische Unterdrückung darstellt, ist eine Frau“, sagte sie lachend nach der Lesung.

Auch das Publikum fand Hass’ Einlassungen im zweiten Teil des Abends sichtlich spannender als die Lesung. Das Stück will mit viel Humor den für beide Gesellschaften zermürbenden Konflikt darstellen. Doch es bleibt etwas abstrakt und sehr symbolisch, wie auch Hass anmerkte. Das sehr gemischte Publikum – es gab Junge und Alte, Israelis, Palästinenser und Deutsche – löcherte die Journalistin anschließend mit Fragen. Eine Deutsche mit Familie in Israel wollten wissen, ob es wirklich keine israelische Linke gibt, wie ihr von der Familie erzählt wird. Ein Israeli fragte, wie es dazu kommen konnte, dass die israelische Gesellschaft sich kaum noch für ihre Berichte interessiert.

In Hass’ Aufzeichnungen erzählt ihr Mahmoud mittels eines illegalen Handys über die Bedingungen im Gefängnis, über Folter, Verhöre, politische Vereinigungen, Alltag. Hass hört zu, schickt Bücher gegen die Langeweile und tauscht sich mit ihm aus. Autor Gaël erklärte, was ihm an dem Thema besonders wichtig war. „Das Gefängnis hat in Israel eine andere Bedeutung.“ Während draußen direkte Gewalt geübt werde, sei das israelische Gefängnis paradoxerweise der Ort, wo verhandelt werde – wenn auch nur zwischen Gefangenen und Gefängnisautoritäten. „In der Gesellschaft ist es schlimmer als im Gefängnis.“

Diese Absurdität sieht auch Hass. „So viele Worte sind verloren. So viele Artikel habe ich geschrieben. Vielleicht kann Fiktion unsere Gefühle besser vermitteln.“ ANNA-ESTHER YOUNES