Massiver Neuschnee ermöglicht Weltrekord in Berlin: Die Riesenschneemann-Chance
In Tempelhof kann am Wochenende der weltgrößte Schneemann gebaut werden. Forscher haben exklusiv für die taz errechnet: Neuschnee reicht für 100-Meter-Figur
Berlin soll am Wochenende im Schnee versinken. Mindestens 10 bis 20 Zentimeter Neuschnee sagen Wetterdienste voraus. Feuerwehr und Stadtreinigung stehen in Alarmbereitschaft. Alle reden vom drohenden Schneechaos. Dabei hat die Stadt die einmalige Chance, einen Weltrekord aufzustellen: mit dem größten Schneemann aller Zeiten!
Berlin verfügt mit der Parkfläche des ehemaligen Flughafens Tempelhof über eine 250 Hektar große, unberührte Schneedecke: keine Loipen, keine Rodelspuren, keine Schnee essenden Kinder. Dort kann der größte Schneemann aller Zeiten einziehen.
10 Zentimeter Schnee auf 250 Hektar bedeuten 250.000 m(3) Neuschnee. Nach dem Schneeforscher Martin Heggli wird Schnee beim Rollen der Kugeln viermal so dicht: Aus 250.000 m(3) Neuschnee werden 62.500 m(3) gepresster Schneemannschnee. Mithilfe Hegglis Schneemannformel kann man den Radius r der kleinsten Kugel errechnen: 7,5 Meter. Das bedeutet einen Durchmesser (doppelter Radius) der obersten Kugel von 15 Metern. Beim Verhältnis der Kugeln von 1:2:3 misst die mittlere Kugel 30 Meter und die untere 45 Meter. Aus der Summe der Durchmesser aller drei Kugeln ergibt sich die Höhe von 90 Metern. kaf
Nur über die genaue Höhe des Rekordschneemanns sind sich die Experten uneins. Martin Heggli vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos (Schweiz) erklärt: "Rollt man Neuschnee zu Kugeln, wird er vierfach verdichtet" (siehe Kasten). Nach Hegglis Schneemannformel hätte der Tempelhofer Dreikugler bei nur 10 Zentimetern Neuschnee folgende Proportionen: Der Kopf hätte 15 Meter Durchmesser, der Bauch 30 Meter, das untere Gesäßteil 45 Meter. Mit einer Höhe von 90 Metern überträfe er den 2002 ins Guinnessbuch der Rekorde aufgenommenen 34,63 Meter hohen Schneemann fast um das Dreifache. Wiegen würde der eisige Mann 25.000 Tonnen.
Sepp Kipfstuhl, Glaziologe am Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, errechnet sogar einen 102 Meter großen Schneemann. Auf seinen Forschungsreisen in die Antarktis hat er verschiedenste Sorten von Schnee kennen gelernt. Der Berliner Schnee sei schwerer als von Heggli angenommen. Deshalb kommt er auf 12 Meter mehr als der Schweizer Forscher.
Auch Beat Brunner hält so einen Bau durchaus für möglich. "Man bräuchte allerdings eine Gussform und einen Kran, um den Schnee hineinzufüllen, da man solche Kugeln nicht aufeinandersetzen kann", gibt Brunner zu bedenken. Der Schweizer muss es wissen, denn er ist seit über 30 Jahren als Profi im Schneeskulpturengeschäft tätig.
Die Haltbarkeit des coolen Riesen hinge von mehreren Faktoren ab. "Schnee gibt Energie in Form von langwelliger Abstrahlung ab", erklärt der Physiker Miklos Szakall vom Institut für Atmosphärenforschung Mainz. Abhängig sei diese Energieabgabe und damit die Abschmelzung von der Sonneneinstrahlung, der Beschaffenheit der Wolkendecke, der Luftfeuchtigkeit und natürlich den Temperaturen. Durch die enormen Ausmaße hätte der Schneeriese ein langes Leben vor sich, prophezeit Polarforscher Kipfstuhl: "Er ist ja im Inneren gut gekühlt und wirft sich seinen eigenen Schatten". Der Schweizer Schneeforscher Heggli hat per Experiment sogar eine Überlebensstrategie für den Sommer entdeckt: Konservieren unter eine Sägespänedecke. "Damit könnte der Schneemann sogar in Berlin übersommern", sagt Heggli.
Nur eine Frage bleibt: Woher die nötige 10-Meter-Mohrrübe nehmen?
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