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Massenspeicherung von Arbeitnehmerdaten"Elena" steht vor dem Aus

Der elektronische Entgeltnachweis ("Elena") wird wegen Bedenken ausgesetzt. Wirtschaftsminister Brüderle will die Kosten überprüfen. Datenschützer freuen sich.

Elena sollte Arbeitnehmerdaten elektronisch katalogisieren. Bild: dpa

Der umstrittenen Speicherung von Arbeitnehmerdaten durch das elektronische Lohnmeldeverfahren "Elena" droht das Aus. Derzeit werden die Kosten des Projekts durch das Bundeswirtschaftsministerium und den Normenkontrollrat überprüft. Danach will man entscheiden, ob das Projekt gekippt wird. "Es wäre sinnvoll, erst einmal innezuhalten und ein Verfahren nicht weiterzutreiben, von dessen Entlastungswirkung man nicht überzeugt ist", sagte der bei dem Projekt federführende Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) am Montag in Berlin.

Im Rahmen von "Elena", dem sogenannten Elektronischen Entgeltnachweis, müssen alle Arbeitgeber in Deutschland seit Januar dieses Jahres allmonatlich Daten zu Entgelten, Arbeitszeiten und Sozialversicherungsabgaben ihrer Beschäftigten an eine zentrale Speicherstelle melden. Im Falle von Kündigungen oder langen Krankheiten werden zudem Daten zu Fehlzeiten gespeichert. Nach einer zweijährigen Anfangsphase sollten dadurch Behörden in der Lage sein, Anträge von BürgerInnen auf Wohn-, Eltern- und Arbeitslosengeld zügiger zu bearbeiten. Bislang sind dazu Einkommensbescheinigungen in Papierform notwendig.

Alljährlich sollten durch das elektronische Verfahren 85 Millionen Euro an Bürokratiekosten gespart werden. Doch Datenschützer kritisierten "Elena" von Anfang an wegen des riesigen zentralen Datenvorrats.

Jetzt protestierten auch die Kommunen wegen der hohen Kosten, die durch die Einführung des Verfahrens entstünden. Der Aufwand für "Elena" sei groß, erklärte Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, der taz. So brauchen Antragsteller dank "Elena" etwa für Wohngeld künftig eine Chipkarte, die wiederum von der Behörde eingelesen werden muss, damit diese autorisiert wird, die Daten bei der Zentralen Speicherstelle abzufragen. Die Behörde muss dazu spezielle Lesegeräte anschaffen. Es sei mit einem Aufwand von 60 bis 80 Euro pro Zertifizierung und Chipkarte zu rechnen, erklärte Habbel. Die Kommunen hatten bei Brüderle protestiert.

Hinzu kommen Datenschutzprobleme. "Aus unserer Sicht gehört ,Elena' aus Datenschutzgründen gekippt. Insbesondere, weil für jeden viele Daten erhoben werden, die nie benutzt werden", erklärte Marit Hansen, stellvertretende Datenschutzbeauftragte in Schleswig-Holstein, der taz. Beispielsweise werden bei einer Kündigung Fehlzeiten an die Zentrale Speicherstelle weitergegeben, auch wenn der Betroffene anschließend "niemals bei einer Arbeitsagentur vorstellig wird", so Hansen.

Grüne, Linke und die Piratenpartei begrüßten die Ankündigung Brüderles, "Elena" auszusetzen. 35 Millionen Datensätze wurden bereits gespeichert.

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7 Kommentare

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  • UZ
    unternehmer Z

    augerechnet der normenkontrollrat soll jetzt prüfen. hat der doch seinerzeit mit seinem (gefälligkeits)gutachten zur rechtfertigung von ELENA beigetragen. darin wird die einspaarung bei den arbeitgebern genau vorgerechnet und als begründung für ELENA angeführt. die kostenseite wurde kaum beleuchtet. jetzt geht die diskussion auch erst nur um die zertifizierungskosten. ab 2014 soll dann schrittweise eine datenabrufgebühr fällig werden...

     

    mit der aufhebung des ELENA-gesetzes muss das parlament auch gleich den normenkontrollrat auflösen, denn er hat in sachen ELENA kläglich versagt.

  • FD
    Fand den Mist gleich irrsinnig

    Wie schön ist doch, wenn erst gehandelt und dann überlegt und gerechnet wird.

     

    P.S.: Da können wir ja einmal froh sein das "wir" kein Geld haben

  • DV
    Dr. von Furzpriemel

    Jo, gut so. Sich zwanzig Jahre (zurecht) über die Stasi aufregen und dann ein Überwachungssystem aus VDS, ELENA, Volkszählung 2011, Videoüberwachung, großem Lauschangriff, GEZ-Spionage, Rasterfahndung etc.pp. hochziehen, das ist total lächerlich - zeigt aber auch, daß die Regierenden außer ihrem eigenen Vorteil nichts im Sinn haben - der sog. Bürger ist lediglich der Lohnsklave, der den sog. Regierenden das Geld in ihre Anüsse zu stopfen hat. Wer nicht spurt wird diszipliniert (Geldstrafe, Schulden, Knast). Wo genau unterscheidet sich diese schöne neue Welt "Kapitalismus" von der Welt diktorischem sog. Kommunismus', Faschismus' oder Diktatur beliebiger Coleur? Wie wäre es mit einer neuen Sprachregelung, die sind doch so beliebt in Systemen, die sich demokratisch schimpfen, um dann aufgrund der ihnen angeblich durchs Volk verliehene Souveränität ebendieses Volk dumm und als Lohnsklaven zu halten, und ihnen Vorzuhalten, sie seien selbstbestimmte Wesen, wenn Sie nur recht brav die Befehle der so. "Kapitaldemokratie", oder, ganz den Sektenvertretern in unserer "Regierung" verpflichtet "Christdenokratische Union" - nein, halt, das ist zu absurd - Obrigkeit, des Staatsratsvorsitzenden, Führers oder Königs folgen?

    Ich könnte wohl noch ewig weiterschreiben, aber eigentlich wollte ich nur sagen: jede nicht realisierte, tote Datensammlung ist eine gute Sammlung. Nur Datensammlungen, die nicht existieren, garantieren eine gewisse Freiheit. Jeder der Daten über Menschen zu deren Nachteil sammeln will, ist ein Faschist, (realexistierender) Kommunist, (foobar)ist - je nach belieben.

    So, gut nun, sonst schreibe ich mich noch in Rage...

  • AG
    A. Geigerich

    Notabene: Das Ganze wird nicht wegen datenschutzrechtlicher Bedenken gestoppt, sondern weil es den Arbeitgebern zu teuer ist.

  • I
    Ingo

    Sehr schlau das Projekt wegen "Kostengründen" auf Eis zu legen.

    Dann tut der Regierung ein Schlag vom BVerfG auch nur halb so weh, wenn es daran "grobe Mängel" zu beanstanden gibt.

  • W
    www.abmahner.org

    War den meisten sowieso egal, wer ist denn schon noch Arbeitnehmer.

  • DI
    Datenschutz in Berlin keine Spur

    Wie schön, dass die taz den stellvertretenden (!) Datenschutzbeauftragten in Schleswig-Holstein (und nicht in Berlin) ausgegraben hat. Guten Absichten und meine Unterstützung hat der gute Mensch. Aber leider ist der Datenschutz eben NICHT der Grund, warum ELENA vor dem Aus steht. Es geht um Geld. Die Stimmen aus Berlin machen das ganz deutlich. Und DAS ist der Skandal an der ganzen Angelegenheit. Wenn der Überwachungsstaat nicht so verdammt teuer wäre, würde es mit ELENA & Co. weiter gehen.