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Massenprotest in Spanien„Ihr habt uns ruiniert"

In mehreren spanischen Städten gingen zehntausende auf die Straße, um gegen die geplanten Sparmaßnahmen zu protestieren. Die Polizei griff teilweise hart durch.

Feuerwehrmänner in Madrid zeigen sich solidarisch mit den Demonstranten. Bild: dapd

MADRID dapd | „Ich bin empört, ich bin wütend", sagte die spanische Beamtin Isabel Urbelz. Die Regierung habe ihr das Weihnachtsgeld gekürzt. „Warum können sie nicht woanders kürzen?" Die 54-jährige Urbelz zog gemeinsam mit zehntausenden ihrer Landsleute am Donnerstag bis spät in die Nacht auf die Straßen, um ihrem Ärger über die jüngsten Sparmaßnahmen ihrer Regierung Luft zu machen. In 80 spanischen Städten kam es zu Protesten, allein in der Hauptstadt Madrid beteiligten sich Schätzungen der Zeitung El País zufolge mehr als 100.000 Menschen an einer Kundgebung.

Die spanische Polizei hat in der Nacht zum Freitag Gummigeschosse gegen Teilnehmer des Protests eingesetzt. Zudem trieb sie am Abend am zentralen Platz Puerta del Sol kleinere Gruppen von Demonstranten mit Schlagstöcken auseinander. Nach Polizeiangaben wurden sieben Demonstranten festgenommen und sechs Menschen verletzt.

Die marschierenden Demonstranten schwangen spanische Flaggen mit Trauerflor und trugen Protestbanner bei sich, auf denen stand: „Nein zu den Kürzungen" und „Ihr habt uns ruiniert". Vor dem Parlamentsgebäude war aus Sorge vor Ausschreitungen ein massives Sicherheitsaufgebot stationiert.

Zuvor hatte das Parlament ein weiteres Sparpaket in Höhe von 65 Milliarden Euro bis 2015 gebilligt. Vorgesehen sind unter anderem Lohnkürzungen im Öffentlichen Dienst und eine Erhöhung der Umsatzsteuer. „Es ist an der Zeit, zu sagen wie es ist", sagte Finanzminister Cristóbal Montoro zu Beginn der Debatte. „Die Finanzierung öffentlicher Leistungen mit weiteren Schulden wird uns vernichten."

Der sozialistische Oppositionsführer Alfredo Pérez Rubalcaba warf der Regierung Hörigkeit gegenüber der Europäischen Union vor. „Nehmen Sie ein Flugzeug nach Brüssel und sagen Sie denen, dass die Kürzungen Barbarei sind", sagte er an das Kabinett gerichtet.

Unterdessen stimmte der Deutsche Bundestag der Freigabe eines Hilfspakets von bis zu 100 Milliarden Euro für den spanischen Bankensektor zu. Die genaue Höhe des Rettungspakets werde bekannt gegeben, „sobald alle Überprüfungen der Banken abgeschlossen sind", hieß es in einer Stellungnahme des spanischen Wirtschaftsministeriums. Für den Freitag war eine Videokonferenz der Euro-Finanzminister zur Spanien-Rettung geplant.

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8 Kommentare

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  • G
    Gabriel

    Es gibt Länder, z.B. Deutschland, Finnland oder auch Bulgarien, die wachsen und halten die Defizitregeln ein. Sparen und Wachstum sind möglich. Voraussetzung ist aber, dass man die notwendigen Reformen erledigt, etwa das Rentenalter erhöht. Doch während Osteuropa im Wesentlichen die notwendigen Reformen umsetzt, macht Südeuropa wenig, beklagt sich vor allem. In Griechenland wurde nur ein Bruchteil der beschlossenen Reformen umgesetzt.

  • LC
    Lara Coft

    Wieso schreibt die taz nicht, dass Arbeitslosen in Spanien ihre staatliche Unterstützung um 17 Prozent gekürzt wird, während von den Reichen weiterhin keine Steuern eingetrieben werden?

     

    Die taz berichtet zu meinem stetigen Erstaunen oft einseitiger als der staatstragende Deutschlandfunk, wo ich diese Infos her habe.

     

    Die SpanierInnen halten ihre Regierung für korrupt.

     

    Dass der deutsche Bundestag (die Pseudo-opposition aus SPD und Grünen sind wieder vorneweg in Merkels Allerwertesten gekrochen ) gestern mehrheitlich zugestimmt hat, den spanischen Banken 100 Miliarden Euro zu schenken - davon jede Menge deutsche Steuergelder - ändert nichts an den Ursachen der Finanzkrise. Die Banken werden wieder nicht reglementiert. Die Reichen, Spekulanten, Hedgefonds werden nicht reglemntiert. Das ganze ist ein Fass ohne Boden zum Schaden der Steuerzahlerinnen und der normalen Bevölkerung in Europa.

     

    - Eine vollkommen falsche Politik!

  • A
    aurorua

    Zinsfreie Kredite von 100 Milliarden Euro an mittelständische, spanische Unternehmen, dass wäre sinnvoll und wirkliche Hilfe.

    Einhundert Milliarden für marode spanische Banken um Reiche und Superreiche für bewusste Misswirtschaft zu belohnen ist kriminell.

  • P
    pesonetto

    Es hat natürlich das Flair eines bombastischen Luxusaufschreis, wenn spanische Beamte wegen einer Weihnachtsgeldstreichung gleich von Ruin und Barbarei reden.

     

    Die ohnehin Privilegierten schreien am lautesten, wenn der Staat ein bißchen an ihren Privilegien zupft.

     

    Wenn man sich die Leute um das Fronttranspi der Demo auf SPON ankuckt, scheint es sich bei den Initiatoren um den 40+saturierten Mittelstand, also um risikofrei langzeitbeschäftigte, tarifentlohnte Staatsdiener zu handeln.

     

    Andere Plakate thematisierten "Kein Brot, keinen Frieden" oder forderten "Generalstreik". Eine genauere Berichterstattung - vielleicht von Spanienkorrespondenten - über die Verarmungstendenzen in den einzelnen Arbeitnehmergruppen des Landes wäre eine bessere Grundlage, um die Widerstandsaktionen qualitativ einzuschätzen.

     

    Wo bleibt der qualifizierte Eurojournalismus in der TAZ ?

  • MS
    Michael S.

    Langsam macht mich diese ganze Thematik müde und traurig. Auf was für ein System rasen wir denn da am Ende zu? Die Schere geht immer weiter auf, warum muss man immer um seine Rechte kämpfen?

    hatten wir das nicht alles schonmal?

     

    "Die Geschichte lehrt die Menschen, das die Geschichte die Menschen nichts lehrt" (Ghandi)

  • B
    Branko

    Die Spanier, ebenso wie die Griechen, kämpfen momentan gegen die eigene Regierung, weil sie nun kapiert haben, von der von ihnen selbst gewählten Regierung beschissen worden sind.

     

    Das würde in Deutschland natürlich nie passieren.

     

    Denn Deutschland weiss schon lange, was dauerhaft und nachhaltig gut für einen Staat ist:

    Das Geld von unten nach oben verteilen.

     

    Die daraus resultierenden positiven Entwicklungen sind in Deutschland längst offensichtlich bewiesen und deutlich spürbar.

    Denn seit Jahrzehnten steigt die Steuergerechtigkeit, sinkt die Staatsverschuldung, steigen die Renten, wird die Bildung besser, ebenso das Gesundheitswesen, sinkt die Arbeitslosigkeit und es gibt fast keine Armut mehr in diesem Land.

     

    Diese Entwicklung haben die Deutschen der Politik von FDP, CDU, CSU und SPD zu verdanken.

    Und deswegen werden sie auch das nächste mal wieder eine Kombination dieser Parteien als ihre Regierung wählen, damit dieses Erfolgsmodell auch so weiterläuft.

     

    Diese Griechen und Spanier sollen bitte mal mit ihren Forderung nach einer gegenteiligen Entwicklung aufhören.

    Denn das wäre Sozialismus und der führt bewiesenermassen in die Pleite.

  • DP
    don pedro

    hallo liebe eu bürger,habt ihr das immer noch

    nicht geschnallt,dieses system eu wird uns alle das

    genick brechen,alle.

  • IB
    Iselin Boit

    Zum Artikel: Massenproteste in Spanien "Ihr habt uns ruiniert":

    'Die marschierenden Demonstranten schwengten ...'

    aua! Schwingen, schwang geschwungen - ist das so schwer?