Mannweiber mit Rangabzeichen

■ Im Bundeswehrkrankenhaus in der Scharnhorststraße präparieren sich Sanitätssoldatinnen für den Krieg - und noch immer können es manche Männer, gerade junge Rekruten, nicht fassen und frotzeln fies

Wenn Gabriele Gutzeit nach ihrem Beruf gefragt wird, löst sie meist Erstaunen aus: „Oberfeldwebel der Bundeswehr“. Mit den Vorurteilen hat die 35jährige Mutter zweier Kinder inzwischen zu leben gelernt. „In Deutschland ist es ja kaum bekannt, daß auch Frauen in die Armee gehen können“, entschuldigt sie die unpassenden Reaktionen. Gabriele Gutzeit arbeitet in der Ambulanz des Bundeswehrkrankenhauses in der Scharnhorststraße, eines von bundesweit 14 Kliniken der Truppe. Das Haus in Mitte, in dem rund 600 Uniformierte und zivile Angestellte der Bundeswehr arbeiten, hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich: 1853 als Königlich-Preußisches Garnisonslazarett gegründet, 1920 vom preußischen Innenminister übernommen, war es zu DDR-Zeiten eine medizinische Einrichtung der Volkspolizei. Gutzeit arbeitet seit 15 Jahren dort. Bevor sie sich nach der Wende entschloß, das Angebot der Bundeswehr anzunehmen und die Uniform der Luftwaffe überzustreifen, war sie zivile Krankenschwester. Die Eingliederung in die Welt von Befehl und Gehorsam ist eine Umstellung gewesen, aber „mich stört das jetzt nicht mehr“.

Weibliche Bundeswehrangehörige arbeiten zur Zeit nur im Sanitätsbereich. Noch sind Frauen in kämpfenden Einheiten ein Tabu. Allerdings: Auch weibliche Sanitätsoffiziere melden sich inzwischen für UNO-Einsätze. So gehörte eine „Oberfeldwebelin“ aus der Scharnhorststraße zum Bundeswehrkontingent, das in Belet Huen stationiert war.

Die 18jährige Janet Puls ist seit knapp über einem Jahr beim Sanitätsdienst und würde auch in Krisenregionen arbeiten: „Allein schon wegen der Erfahrung.“ Die Rangabzeichen auf dem weißen Hemd weisen sie als Gefreite des Heeres aus. Ihre dreimonatige Grundausbildung an der Waffe hat sie vor einem Jahr in München absolviert. Da waren sie neun Frauen und 50 Männer. Das habe sie herausgefordert: „Wir mußten einfach mehr Leistung zeigen.“ Ebenso wie Janet haben der Zahnmedizinstudentin Andrea Gottlieb die Schießausbildung, das Robben durch den Schlamm „Spaß gemacht“. Eine Waffe, so sagt sie im Brustton der Überzeugung, „dient meiner eigenen Sicherheit und dem Schutz meiner Patienten, sollte es einmal soweit kommen“. Die 21jährige, die seit Anfang März im Bundeswehrkrankenhaus ein sechswöchiges Praktikum absolviert, ist Offiziersanwärterin. In Regensburg, wo sie an der Universität zusammen mit Zivilisten studiert, kann sie die Frotzeleien mancher Kommilitonen nicht mehr hören: „Ich habe einfach keine Lust, auf solche blöden Sprüche zu antworten wie: Mensch, bist du verrückt, bei der Bundeswehr zu studieren.“

Puls hat die Werbung in der Schule überzeugt, vor allem der Umstand, auch außerhalb eines Krankenhauses „im Gelände tätig zu sein“. Andere, wie die Oberstabsärztin Claudia Massel, räumen ein, daß ihre Entscheidung auch existentielle Gründe hatte. Seit 1978 ist sie im Krankenhaus an der Scharnhorststraße, zuletzt trug sie in der DDR den Rang eines weiblichen Majors der Volkspolizei. Nach der Wende nahm sie das Angebot der Bundeswehr wahr und bewarb sich erneut und wurde dem Heer zugeordnet.

Zu DDR-Zeiten, meint die 39jährige, seien Frauen in dem damaligen Volkspolizeikrankenhaus weitaus gleichberechtigter gewesen: „Mancher Jung-Import aus dem Westen kann sich kaum vorstellen, daß man als Oberstabsärztin Kinder, Hausarbeit und Beruf unter ein Dach bringt.“

Massels Arbeitstag beginnt um Viertel vor fünf in Berlin-Biesdorf, um sechs werden die beiden Kinder geweckt, dann folgt eine Stunde Fahrtzeit zur Arbeit. Nach Dienstschluß um vier muß noch eingekauft werden. Ihren Mann sieht sie nur am Wochenende. „Es ist ganz schön hektisch geworden“, meint die Oberstabsärztin.

Frauen bei der Bundeswehr – das sei ein „Thema für sich“, sagt auch Oberfeldwebel Gabriele Gutzeit. Erst auf ihrem letzten Lehrgang sei wieder heftig darüber diskutiert worden. Gerade junge Soldaten mißgönnten den Frauen oftmals den weitaus schnelleren beruflichen Aufstieg in der Truppe. Hinzu käme der fachliche Neid: „Wir können in der Regel einfach besser mit den Patienten umgehen.“ Fähnrich Andrea Gottlieb glaubt, daß die Männer in der Bundeswehr sich mit der Zeit an ihre weiblichen Kolleginnen gewöhnen werden. Das sei ähnlich wie in der Kirche, wo „einige austreten, wenn Frauen kommen“. Richtig ärgerlich wird Gottlieb aber, wenn sie über das Bild spricht, das in der Öffentlichkeit über weibliche Bundeswehrsoldaten gezeichnet wird. „Für viele sind wir doch entweder nur Mannsweiber oder arme, geschundene Kreaturen.“ Severin Weiland