Mäzenatentum: Tue Gutes, aber schweige darüber
Das Jüdische Museum Rendsburg würdigt den Hamburger Mäzen und Beiersdorf-Chef Oskar Troplowitz. Der sammelte nicht nur Kunst, sondern engagierte sich auch sozial. Für seine Arbeiterinnen richtete er Stillstuben ein.
Mit dem Mann, dem das Jüdische Museum in Rendsburg derzeit eine Ausstellung widmet, gibt es ein Problem. "Kein Mensch kennt Oskar Troplowitz", sagt Museumsleiter Christian Walda. Das Ausstellungsplakat und der Katalog zeigen aber Vertrautes: blaue Dose, weiße Schrift, das ist doch… Und richtig: Oskar Troplowitz, geboren 1863 im oberschlesischen Gliwice und gestorben 1918 in Hamburg, machte aus dem pharmazeutischen Nischenbetrieb Beiersdorf einen Weltkonzern, für den er unter anderem Hansaplast und Nivea erfand. Daneben förderte der jüdische Unternehmer Kunst und Künstler, saß für das "Linke Zentrum" in der Hamburger Bürgerschaft und engagierte sich für Volksschulen und die soziale Absicherung seiner eigenen und der städtischen Angestellten.
Bürgerliche Stiftungen blühten auf in der wilhelminischen Kaiserzeit, und auffallend viele der Gründer waren Juden. "In ihrem Anspruch, sich für das Allgemeinwohl einzusetzen, unterschieden sich Juden nicht von Christen", sagt Walda, der die Lebensläufe anderer Unternehmer und Mäzene - wie der Rothschilds oder des Berliner Kunstförderers James Simon - untersucht hat. "Es lässt sich feststellen, dass bis in die Weimarer Republik jüdische Familien einen überproportionalen Anteil am Stiftungsaufkommen trugen."
Der Wunsch, sich einen Platz in der Gesellschaft zu erwerben, habe dabei eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Stattdessen stand die jüdische Tradition der Zedaka im Vordergrund, laut der es die Pflicht des Begüterten ist, den Bedürftigen zu geben. "Dieser Grundsatz ist so wichtig, dass der Begünstigte sich nicht einmal bedanken müsste, da er dem Reichen ja hilft, seine Pflicht zu erfüllen", sagt Walda. So galt - anders als bei heutigen Sponsoren - der Grundsatz: "Tue Gutes, aber schweige darüber."
Oskar Troplowitz wollte Kunst studieren, doch der Vater schickte ihn zum Onkel in die Lehre, einem Apotheker. Nach dem Pharmaziestudium verlobte sich der junge Mann mit seine Cousine Gertrud, kurz darauf stieß er über eine Zeitungsanzeige auf Paul Carl Beiersdorf, der sein Labor in Altona verkaufen wollte. Troplowitz stieg 1890 in den Betrieb ein, der Salben und Verbandsstoffe für Hautärzte herstellte.
Beiersdorf verließ sich auf den guten Ruf seiner Waren in Fachkreisen. "Er beschrieb die Etiketten per Hand, da gab es automatisch Grenzen der Herstellungsmenge", sagt Walda. Troplowitz stellte auf maschinelle Produktion um und setzte auf neuartige Werbemethoden sowie auf den globalen Markt: 1914 war Beiersdorf in 29 Ländern vertreten. Für Japan und China stellte die Firma eigene, besonders weiße Nivea-Varianten her.
Seine Arbeiter behandelte der Unternehmer ungewöhnlich gut: Er reduzierte die Zahl der Arbeitsstunden pro Woche von 60 auf 48 und organisierte eine "Stillstube" im Betrieb, in der junge Mütter ihre Kleinkinder abgeben konnte - "Hamburgs erste Kita", sagt Walda. Troplowitz sah nicht ein, dass Facharbeiterinnen zu Hause bleiben sollten, nur weil sie Mütter geworden waren. 1916 gründete er die Pensionskasse "Troma", die bis heute existiert. "Darüber hinaus spendete er für Bedürftige in Hamburg", so Walda.
Während die betrieblichen Stillstuben wieder in Vergessenheit geraten sind, hat sich die Kunst erhalten: Troplowitz sammelte besonders die Bilder junger Maler seiner Zeit, darunter Franz Nölken und Fritz Friedrichs. Viele der Werke hängen heute in der Hamburger Kunsthalle - zurzeit sind einige nach Rendsburg ausgeliehen. Die Bronzeskulptur "Diana mit Hunden" von Arthur Bock, die im Stadtpark in Hamburg-Winterhude steht, hat Troplowitz der Stadt geschenkt.
Die Ausstellung in einem Nebengebäude des Jüdischen Museums Rendsburg zeigt nur wenige Stücke: Einige der Bilder seiner Sammlung, Creme- und Pflasterschachteln im Wandel der Jahrzehnte, Texttafeln über das Leben des Stifters und über jüdisches Mäzenatentum allgemein. Aber sie wirft einen Blick auf einen Aspekt jüdisch-bürgerlichen Lebens, der sonst wenig beachtet wird.
Derzeit würden sich die jüdischen Museen verändern, sagt Walda: "Die NS-Zeit steht nicht mehr automatisch im Mittelpunkt." Sowohl die Verantwortlichen als auch die Besucher haben einen Grundstock an Wissen, den man voraussetzen kann, und die Museumsmacher können sich anderen Themen zuwenden: Kultur, Religion oder Kunst.
Als Kunstsammler war Troplowitz ein echter Vorreiter: Er erwarb als erster Deutscher einen Picasso - das Gemälde wurde von den Nazis beschlagnahmt und verkauft.
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