: Machtpolitisch instrumentalisiert
Betr.: „Ein neues Verständnis von Kultur“, taz Bremen vom 3.12.2005
Das Interview mit Uli Fuchs ist lehrreich. Es macht noch einmal deutlich, woran die Kulturhauptstadt-Bewerbung Bremens unter anderem gescheitert ist und warum es danach keine wirkungsvolle Innovationspolitik im Kulturbereich gegeben hat.
Das Bewerbungsteam hat die Machtverhältnisse entweder nicht zur Kenntnis genommen oder die eigenen Kräfte über- und die seiner Gegner unterschätzt. Daraus resultierte eine den Misserfolg riskierende, wenn nicht sogar provozierende Strategie.
Erinnern wir uns: Die Bewerbung war von Beginn an machtpolitisch instrumentalisiert. Für die oppositionellen Grünen bot sie die Möglichkeit einer parteipolitischen Profilierung, auch wenn die Fraktion Helga Trüpel nur widerstrebend und mit halbherzigen Lippenbekenntnissen folgte. Die Bewerbung sollte eine durch Kürzungen bedrohte Kulturszene schützen. Niemand wagte öffentlich entgegenzuhalten, dass damit notwendige Entscheidungen über kulturpolitische Prioritäten voraussichtlich um Jahre vertagt würden.
Auch die Senatskanzlei kannte den medial gestützten kulturellen Blockadeblock nur zu gut. Ihre Gegenstrategie war eine top-down und zentralistisch gesteuerte Stadtentwicklung durch eine wirtschaftsorientierte Wissenschaft und – wenn es denn sein musste – auch Kultur. Diese Strategie war verständlich in Anbetracht des „syndikalistisch versauten“ Bremen (so Jobst Fiedler, vormals Stadtdirektor Hannovers, in seiner Funktion als Gutachter für Roland Berger), aber unterkomplex für die zu lösenden Probleme. Eine großstädtische Gesellschaft lässt sich nicht hierarchisch steuern.
Der Senator für Kultur war der schwächste Akteur in der Arena. Seine ständig wechselnden Senatoren genossen entweder das politische Gnadenbrot, waren ohne innerparteiliche Hausmacht oder betrachteten die Verantwortung für das ihnen in Koalitionsverhandlungen zugeschobene Ressort (mitsamt der als unvermeidlich erklärten Staatsrätin) als Kröte, die geschluckt werden musste, um auf den eigentlich interessanten Politikfeldern reüssieren zu können. Die Versuche des Ressorts, die Bewerbung in eigener Regie zu übernehmen, misslangen aufgrund der Schwächen seiner Leitungen (nicht seiner Verwaltung).
Der Intendant der Bewerbung hatte schnell erkannt, dass die bremischen Kräfte in einem unproduktiven Clinch verhakt sind. Er setzte deshalb auf externe Impulse durch Wettbewerb und Kooperation mit europäischen Partnern, Experten-Evaluation, eine außerbremische mediale Öffentlichkeit und die bei der Verteilung der Haushaltsmittel zunehmend ausgeschlossenen freien Künstler – leider lauter zahnlose Tiger.
Zu einer wirklichen Analyse der Machtverhältnisse ist Uli Fuchs entweder nicht fähig oder es fehlt ihm der Mut.
REINHARD STRÖMER, bis 2005 Abteilungsleiter Kultur
Ungekürzte Version des Leserbriefs unter www.mehr-dazu.de.