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Machtkampf unter PalästinensernHamas gegen Fatah

Sechs Palästinenser werden in der Westbank erschossen, darunter zwei Hamas-Kämpfer und drei Polizisten. Die Siedler rächen sich für Räumungen mit Angriffen auf die Palästinenser.

Von Kugeln durchsiebte Schrankwand: Polizisten in dem Haus, in dem sechs Palästinenser starben. Bild: dpa

Seit zwei Jahren ist es im Westjordanland nicht mehr zu derart gewaltvollen innerpalästinensischen Auseinandersetzungen zwischen der Hamas und der Fatah gekommen. Sechs Palästinenser starben am Sonntag bei dem ungewöhnlich heftigen Feuergefecht zwischen Angehörigen beider Fraktionen in der Stadt. Die islamistische Führung im Gazastreifen rief ihre Anhänger dazu auf, sich mit aller Gewalt gegen die Fatah-Sicherheitstruppen zur Wehr zu setzen. In Kalkilia hatte die Hamas bei den Stadtratswahlen vor vier Jahren eine klare Mehrheit erzielt.

Der Hamas-nahe Publizist Khaled Amayreh aus Hebron hält eine Eskalation dennoch für unwahrscheinlich. "Die Hamas verfügt kaum noch über militärische Kraft im Westjordanland", sagt er. "Fast alle Kommandanten sitzen in palästinensischen oder israelischen Gefängnissen." Die Schießerei wurde mit der versuchten Verhaftung zweier führender Hamas-Milizionäre ausgelöst, von denen einer seit Jahren auch von israelischen Sicherheitskräften gesucht wurde.

"Der Zwischenfall wird als letzter Nagel im Sarg der palästinensischen Einheitsverhandlungen gesehen", schreibt Khaled Abu Toameh von der Jerusalem Post. Die von Ägypten vermittelten Gespräche zwischen Fatah und Hamas stecken fest. Amayreh schiebt "dem Fatah-Flügel" die Verantwortung für das Scheitern der Verhandlungen zu, "der glaubt, dass eine Einigung Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Hände im Friedensprozess mit Israel binden würde". Die Fatah beharrt auf einer Anerkennung Israels, bevor sie einer Regierung der Nationalen Einheit zustimmen will.

Nach Ansicht des palästinensischen Publizisten verliert die Fatah an Rückhalt im Volk, während die Hamas auf dem Vormarsch sei. "Die PA (Palästinensische Autonomiebehörde) verhält sich wie der Judenrat", schimpft Amayreh. Damit seien auch Teile der Fatah nicht einverstanden. Für Anfang Juli ist die seit Jahren überfällige Generalversammlung der Bewegung geplant, die in einer schweren Macht- und Identitätskrise steckt. "Wir werden es sehr bald mit zwei Fatah-Fraktionen zu tun haben, die schlimmer miteinander zerstritten sind, als heute die Hamas mit der Fatah", prophezeit Amayreh.

Das scharfe Vorgehen palästinensischer Sicherheitsleute gegen Hamas-Milizen "signalisiert, dass Abbas es ernst meint", schreibt Jakob Katz von der Jerusalem Post. Damit wächst der Druck auf Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, umgekehrt der moderaten palästinensischen Führung entgegenzukommen. Der erklärte gestern jedoch, dass er einen Baustopp in den Siedlungen als "unsinnig" ablehne. Das dürfte den Konflikt mit der US-Regierung weiter schüren. Den Palästinensern geht es um einen weiteren Truppenrückzug, die Auflösung von Straßensperren und die Einstellung des Baugeschehens in den Siedlungen. Sie fordern zudem ein härteres Vorgehen Israels gegen die eigenen Extremisten.

Nach der Räumung dreier Mobilhäuser am Montag im "Siedlungsvorposten" Nahalat Jossef kam es erneut zu schweren Übergriffen von Siedlern. Die Siedler griffen einen palästinensischen Bus an und steckten Ackerland in Brand. Schon in der Nacht zum Montag warfen vermummte Siedler Steine auf Fahrzeuge und verletzten dabei vier Palästinenser. Der Abgeordnete Michael Ben Ari von der Nationalen Union wurde vorübergehend festgenommen, als er sich einem Polizeijeep in den Weg stellte, der zwei rechtsextreme Aktivisten abtransportierte.

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3 Kommentare

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  • A
    aso

    @ t.s.:

    „Wieder eine erstaunliche Abweichung von der Linie...“

     

    Denn natürlich weiß nur „t.s.“ wo es wirklich lang geht...

     

    „...FATAH-fern -, wie eigentlich so ziemlich jeder Palästinenser,...“

     

    Das heißt, alle Palis wollen einen Gottesstaat wie bei Hamas, und zurück ins Mittelalter?

    Werden in Hamastan auch Mädchenschulen geschlossen wie bei den Taliban? Oder kommt das noch? (Bildung wäre hier Verschwendung, da sie eh nicht aus dem Haus dürfen...?).

    Auch so verderbliche westliche Werte wie Musik, TV, PC, Kunst, Fußball etc. braucht doch eigentlich kein Mensch, oder? Ist in Afghanistan doch auch schon verboten. PC und Handy nicht? Ist das etwa so eine Art Doppelmoral? Auch Autos Kühlschränke, etc. sind ja eigentlich eine westliche Erfindung...und damit unislamisch.

    „...eine 'rechtliche' Grundlage für eine erneute ethnische Säuberung Palästinas...“

    Welche „rechtliche Grundlage“ gab es für die Vertreibung von ca 850 Tausend Juden aus den Umliegenden arabischen Ländern seit 48?

    „...und die dazu systematisch an ihnen verübten Massaker....“

    Massaker plant die Hamas an der jüdischen Bevölkerung. Um dann das gesamte Staatsgebiet übernehmen zu können. So steht es in der Charta.

    Oder will Hamas nun doch eine Zeistaatenlösung?

  • B
    BItte

    Hallo @ t.s.

     

    ich finde Sie sind eine Person mit sehr viel Wissen, dass bedauerlicherweise nicht gefördert wird.

     

    Wieso arbeiten Sie (t.s.) nicht für die TAZ ?

    Frau Knaul ist doch nur ein Propagandamittel für die Zwecke und Irreleitung der israi. Medienpropaganda(das hat sie mit jedem Artikel BEWIESEN), ausserdem könnte man sie schon als Agentin bezeichnen, die eine Mission mit ihren Berichten hat.

     

    Naja...jedenfalls möchte ich sehr gerne von T.S. wissen woher sie die ganzen infos haben, nicht alles ist mir fremd, jedoch ein bisschen schon...

    daher bitte ich SIE mir wenns machbar wäre diese Quellen zu senden.

     

    Vielen Dank, und liebe Taz stellt bitte t.s. ein ;) für ein neutrales und schlaues Zeitalter braucht man solche Menschen und nicht diese die Menschen für dumm und naiv halten!

     

    NACHDENKEN !!!!

  • T
    t.s.

    Wieder eine erstaunliche Abweichung von der Linie, die ansonsten von Frau Knaul verfolgt wird.

     

    Wer hätte gedacht, dass man in der taz jemals Khaled Amayreh finden würde, den schärfsten Kritiker des israelischen Staathalters in Ramallah: dem ehemaligen pal. Präsidenten Mahmud Abbas und dessen korrupter Entourage - die sich auch dank einer eigens von den USA finanzierten und trainierten Miliz an der Macht halten kann.

    Nur ist Amayreh nicht HAMAS-nah - wie Frau Knaul schreibt - sondern vielmehr FATAH-fern -, wie eigentlich so ziemlich jeder Palästinenser, so er nicht Teil oder Profiteur der Konspiration in Ramallah ist.

     

    Dazu hätte Frau Knaul darauf hinweisen können, dass Amayreh erst kürzlich von den Helfern Abbas in's Gefängnis gesteckt wurde, das er allerdings recht schnell wieder verlassen durfte. Anders wie sein Kollege von Al-Jazeera in Hebron, der erst vor wenigen Tagen verhaftet wurde, nachdem er wohl die Vermutung befördert haben muss, dass Abbas und seine Männer auch an der Exekution des ranghöchsten HAMAS-Führers in Hebron vor drei Tagen beteiligt waren.

     

    Noch viel interessanter - leider überhaupt nicht von Frau Knaul berichtet - sind jedoch die neuesten Entwicklungen in Israel, die offenkundig darauf abzielen eine 'rechtliche' Grundlage für eine erneute ethnische Säuberung Palästinas zu konstruieren - für die Entrechtung und Vertreibung der rund 1.5 Millionen Araber mit israelischen (!) Pässen.

     

    So sollen demnächst in Israel all jene mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden können, die am Jahrestag der israelischen Staatsgründung nicht in fähnchenschwingenden Jubel ausbrechen, sondern an die 'nakhba' erinnern; an die Vertreibung hundertausender Palästinenser, die Zerstörung von hunderten ihrer Dörfer und die dazu systematisch an ihnen verübten Massaker.

     

    Ein Gesetz, das die Geschichte als 'illegal' erklärt und das in der Knesset natürlich ganz "demokratisch" zustande gekommen ist- so wie der Staat selber.

     

    PS.: Übergriffe der bis an die Zähne bewaffneten Siedler auf schutzlose pal. Zivilisten sind im übrigen völlig normal.

    Was hierzulande im Osten der Republik die Glatzen leisten - national befreite Zonen -, dass leisten in der Westbank die Siedler.

    Unter dem Schutz der isr. Armee und der israelischen Rechtssprechung natürlich.

    Gebenedeit von der deutschen Staatsraison - von Merkel bis Gysi.

    Nachzulesen und zu verfolgen bei ISM.