MONTERREY-GIPFEL: LATEINAMERIKANER FEIERN IHRE EINHEIT GEGEN DIE USA : Die harte Probe steht noch aus
Die politische Landkarte Lateinamerikas hat sich verändert. Bis in die 1990er-Jahre waren die USA die Hegemonialmacht des Kontinents. Doch nun sind in zahlreichen Ländern Mitte-links-Regierungen an der Macht, die in der Außenpolitik mehr Selbstvertrauen zeigen. Brasilien hat sich vom Prinzip der pragmatischen Unterordnung verabschiedet, Argentinien will von den einst intimen Beziehungen zu den USA nichts mehr wissen, Venezuela kritisiert die US-Politik, wo es geht, und in Bolivien ist Ende vergangenen Jahres ein Präsident gestürzt worden, der – hoch symbolisch – Spanisch mit englischem Akzent sprach.
Die Regierungen Lateinamerikas emanzipieren sich, und so mussten die USA auch beim Gipfeltreffen in Monterrey Abstriche machen. Zwar steht die von ihnen betriebene Freihandelszone von Alaska bis Feuerland als Fernziel in der Abschlusserklärung. Nur: Ein Zeitplan ist dafür nicht vorgesehen – ein kleiner Sieg für die neue Südamerika-Allianz Argentinien, Brasilien und Venezuela. Denn anstatt einen Handelspakt mit den USA zu unterzeichnen, setzen die Länder auf die südamerikanische Integration, wenn die USA sich beim Thema der Agrarpolitik nicht bewegen. Die Vorzeichen hierfür stehen gut. Zum ersten Mal besteht weitgehend Einigkeit über die politökonomische Ausrichtung eines Südamerika-Projekts. Und sie haben Abstand genommen von den älteren Integrationsmodellen, die auf einseitige Marktöffnung, Deregulierung und Privatisierung setzen.
Allerdings sind Zweifel angebracht, ob die neue Allianz stabil sein wird. In Monterrey zeigten sich bereits erste Risse, als Argentinien sich doch stärker an die US-Position in Sachen Freihandel annäherte, als dies Brasilien und Venezuela lieb war. Auch werden die USA nicht dabei zusehen, wie sich mehr und mehr Länder Südamerikas verbrüdern. So könnten die USA bald auch Argentinien oder Brasilien ein bilaterales Freihandelsabkommen anbieten, wie es Chile schon im vergangenen Jahr unterzeichnet hat. Dann wäre die südamerikanische Einheit, die heute noch gefeiert wird, auf eine harte Probe gestellt. INGO MALCHER