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Archiv-Artikel

MIT ODER OHNE STASI-AKTE: MANFRED STOLPE TAKTIERT Der untypische Ostdeutsche

Manfred Stolpe hatte Kontakte zur Stasi. Das hat er längst zugegeben und stets damit begründet, in seinem Amt seien sie unausweichlich gewesen. Vermutlich stimmt das sogar. Ob man seiner Verteidigung folgt oder ihn moralisch verurteilt, liegt am Standpunkt des Betrachters.

Unzweifelhaft unredlich ist aber seine Behauptung, mit der Diskussion über seine Stasi-Mitarbeit würden die ostdeutschen Biografien in Frage gestellt. Er taktiert, indem er sein politisches Überleben mit der kollektiven Identität der Ostdeutschen verbindet. Perfide ist das, weil es von einem Politiker kommt, der in der Bundesrepublik nie ganz angekommen ist. Und der, weil er nicht lernen wollte, großen Schaden angerichtet hat: als Ministerpräsident in Brandenburg und als Verkehrsminister im Bund.

Mit den Projektruinen seiner staatsgläubigen Wirtschafts- und Sozialpolitik hat Brandenburg gerade zu kämpfen. Und als Verkehrsminister hat er sich mit seiner Mautpolitik unmöglich gemacht. Er hat gezögert, wo er hätte entscheiden müssen. Er hat laviert, wo klare Worte gefordert waren. Die Fähigkeit, bei allen Parteien das Gefühl zu erzeugen, ihr Standpunkt werde sich durchsetzen, mag für einen Superintendenten in der DDR wertvoll gewesen sein. Bei einem verantwortlichen Politiker in der Bundesrepublik ist sie es nicht.

Der Verweis auf seine ostdeutsche Biografie ist schäbig, weil sie nicht der Grund für Stolpes Scheitern ist. Es ist sein Unwille, zu lernen, sein starres Beharren auf Verhaltensmustern einer vergangenen Zeit. Die Leistung der Ostdeutschen liegt in ihrer ungeheuren Reform-, Änderungs- und Lernbereitschaft. Eigene Erfahrungen nicht zu verleugnen, sich aber trotzdem den Erfordernissen der neuen Gesellschaft zu stellen – das ist die Kunst, die im Osten beherrscht und im Westen noch immer nicht angemessen honoriert wird. Indem Stolpe diese Anerkennung für seinen preußischen Sturschädel fordert, diskreditiert er ihre Leistung. Das haben die Ostdeutschen nicht verdient. Genauso wenig wie die gesamte Republik einen schlechten Minister. HEIKE HOLDINGHAUSEN