MIT DEM GASHAHN AUF DU UND DU: Verlorenes Gasmonopol
■ Kartellamt: VNG muß Konkurrenz Leitungen überlassen
Berlin (taz/dpa) — Der Kampf der West-Konzerne um den ostdeutschen Gasmarkt geht in eine neue Runde. Der ostdeutsche Gasmonopolist Verbundnetz Gas AG (VNG) muß seine Gasleitungen künftig der Konkurrenz zur Verfügung stellen — gegen einen angemessenen Preis, versteht sich. Mit diesem Beschluß des Berliner Bundeskartellamts hat sich die zum Essener Ruhrgas-Konzern gehörende VNG ihrem stärkten Widersacher, der BASF-Tochter Wintershall Erdgas Handelshaus (WIEH), zu beugen. Dieser hatte für vertraglich abgesicherte Gaslieferungen aus dem tschechischen Velke Kapusany zur sächsischen Foto- und Spezialpapierfabrik Weißenborn die VNG- Leitungen beansprucht. Doch die VNG lehnte dankend ab — sie sei nicht zur Durchleitung des Gases verpflichtet, so die lapidare Begründung.
Auch nach dem Kartellamtsbeschluß will die VNG nicht von ihrem Standpunkt abrücken: Die Entscheidung sei ein „unglaublicher Vorgang“, so VNG-Pressesprecher Walter Altmann. Es könne nicht angehen, daß ein Wettbewerber, der seinen Kunden Erdgaslieferungen verspreche, obwohl ihm die entsprechenden Leitungen fehlten, per Verfügung auf die Leitungen anderer Unternehmen ausweichen dürfe. „Das ist so, als wenn jemand einen Bäcker zwingt, seinen Backofen einem Fremden zur Verfügung zu stellen, der dann die darin gebackenen Brötchen an die Kunden des Bäckers verkauft.“ Altmann kündigte an, die Verfügung vor Gericht anzufechten.
Die Experten des Kartellamts sehen die Sachlage freilich anders: Sie stützen sich bei ihrer Verfügung auf den Paragraph 103 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), nach dem als Mißbrauch eingestuft wird, wenn ein Versorgungsunternehmen andere Firmen im Absatz oder Bezug von Energie durch einen Weiterleitungsboykott behindert. Im Kartellamt war man sich durchaus bewußt, daß sich die VNG der Verfügung nicht beugen werde. Diese erste Entscheidung des Amtes zur Durchleitungsproblematik werde mit Sicherheit bis zum Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gehen, so der Leiter der Beschlußabteilung, Prof. Kurt Markert. Er wies zudem darauf hin, daß auch die EG-Kommission plane, jedem Energieerzeuger Zugang zum gesamten Leitungsnetz zu gewähren. es
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